WALTER KOLOSKY Mahavishnu Memories
Walter Kolosky
Mahavishnu Memories
(1971–1973)
The Remarkable Tour History
of the Mahavishnu Orchestra
The greatest live band that ever was
540 S., 24.95 $ paperback/print on demand
9.99 $ Kindle eBook
„Alles, was Sie schon immer nicht über das Mahavishnu Orchestra wissen wollten…und eben deshalb nicht zu fragen wagten“ (beispielsweise die whereabouts der ca 330 Konzerte des ersten Mahavishnu Orchestra in den Jahren 1971-73), es liegt nun in einem voluminösen Band vor.
Und man kann sich stöbernd darin verlieren.
Der Zeitraum liegt fünf Jahrzehnte zurück. Unter den Stöbernden dürften & sollten sich nicht nur die Silberlocken befinden, mit denen der Autor auf seiner facebook-Seite freudig die ersten druckfrischen Exemplare feiert, sondern auch Neugierige nachgerückter Generationen.
Sie alle müssen den Überschwang des Autors in der historischen Bewertung dieser Band nicht teilen (the greatest live band that ever was), sie sollten aber wenigstens aus Lexika und Jazzhistoriebüchern gelernt haben, dass sie mit diesem Quintett mindestens eines der wichtigsten, weil Genre-prägenden Ensembles des Jazzrock vor sich haben.
Walter Kolosky hat sich auf diesem Sektor einschlägig bewährt: mit „Power, Passion & Beauty“ legt der US-Journalist 2006 „The Story of the Legendary Mahavishnu Orchestra“ vor und 2010 mit „Follow your Heart“ ein „John McLaughlin Song by Song“.
Für diesen Band ist er fünf Jahre in Archive abgetaucht und hat 300 Zeitzeugen befragt: Musiker, Publizisten, Historiker, Fans.
„Es war einfach die lauteste und schnellste Musik, die das Publikum je gehört hatte. In gewisser Weise war es die lauteste aller Zeiten, und nachdem wir fertig waren, die ruhigste aller Zeiten“, lacht heute Jan Hammer, der Keyboarder der Band. "Viele saßen einfach nur fassungslos da und schwiegen. Es ist schon so lange her, dass es sich manchmal anfühlt, als wäre es nie passiert."
Die Zuhörer waren erschlagen, bevor es überhaupt losging. Dabei startete das Mahavishnu Orchestra im „The Gaslight at the au go go, New York City, 152 Bleecker Street im Vorprogramm … zur Blueslegende John Lee Hooker. Unfassbar.
(Die Konzertalternativen an jenem Mittwoch, 21. Juli 1971: die Allman Brothers im Central Park, Jeremy Steig bei Slugs und Lee Morgan im Village Vanguard.)Von der brüllenden Lautstärke berichten Besucher und Medien fast durchgängig aus rund 330 Konzerten.
Für den gig am 14. September 1971 im Beacon Theatre NYC hatte Bassist Rick Laird seinen früheren Kollegen vom Australian Jazz Quintet Tickets in der ersten Reihe besorgt. Die älteren Musiker beäugten argwöhnisch das viele Equipment auf der Bühne.
„Schon beim ersten downbeat sah Rick, wie das gesamte Australian Jazz Quintet wie eine Eins aufstand - und floh! Es war mehr oder weniger das, was er von ihnen erwartet hatte.“
1972 haut die Lautstärke in London einen BBC-Kameramann buchstäblich vom Kamerawagen. Wenig später nörgelt der Klassik-Kritiker des Philadelphia Inquirer: „Die einzige Verbindung dieses Rock-Quintetts zu Indien, abgesehen vom Namen, ist, dass man es wahrscheinlich bis dorthin hören kann.“
Solch fehlgeleiteten Besuche blieben die Ausnahme. Es überwiegen Begeisterung bis Entzückung. Chick Corea z.B. formt zwei Bands nach dem Modell Mahavishnu, Joe Satriani erinnert sich 2014 an „die beste Show meines Lebens“.
Nicht anders Jon Anderson (Yes): „They changed the musical world. Thank God!“ (Und an den Yes-Bassisten Chris Squire gewandt: „We need to practice more!“)
Das war am 28.11.1971. Mahavishnu und Yes treten im Pritchard Gym at State University of New York in Stony Brook/NY im Vorprogramm von The Kinks auf! Ein spottbilliges Vergnügen für höchstes künstlerisches Niveau zu Eintrittspreisen von meist 2 bis 4 $, wie so oft damals.
Und, für eine Jazzband durchaus ungewöhnlich, auf Tourneen über den college circuit, also Universitäten. Vor Auditorien von 50 bis 15.000 Zuhörern; letzteres am 14. April 1973 im Amphitheatre der American University in Washington/DC - bei Desinteresse großer Teile des Publikums, das lieber Frisbee-Scheiben und Papierflugzeuge durch die Halle schweben ließen.
Zwei Wochen später, am 28. April 1973 in Philadelphia, sogar vor 19.500 Zuhörern, startet die erste gemeinsame Tour von Mahavishu und Mothers of Invention (!), um genauer zu sein: Mahavishu im Vorprogramm von Zappa.
Ungefähr zur Hälfte der Tour werden Ruth Underwood und Tom Fowler zitiert, „that Frank´s compositions changed greatly after this tour.“
„Wir waren wie weggeblasen“
„Mahavishnu Memories“ ist, wie könnte es anders sein?, auch eine Anekdotensammlung. Durch den großen zeitlichen Abstand und die Auswahl Koloskys kommt ihnen nicht selten aber auch zeitdiagnostisches Kolorit zu.
Das geht schon los bei der Bandpremiere am 21. Juli 1971 in New York City. Kolosky hat doch tatsächlich zwei Zeitzeugen aufgetrieben: Daniel Schacter, damals an der University of North Carolina, heute Psychologie-Professor in Harvard und Bill Levine (Northwestern University), heute Rechtsanwalt im Ruhestand.
„Es ist jetzt ein Klischee, aber wir waren wie weggeblasen. Eine solche Klangkombination hatten wir noch nie gehört. Wir haben uns wahrscheinlich ein paar Mal angeschaut und gedacht: ‚Holy Shit!‘“
Schacter & Levine besuchten nicht nur den ersten Abend, sondern auch die folgenden drei. Und sie wollten sich partout nicht nur auf ihre Ohren verlassen, sondern führten immer auch ein Aufzeichnungsgerät mit.
„Der Kassettenrekorder war so groß, dass man ihn nicht übersehen konnte, aber nur eine Person nahm uns das Ding jemals weg. Und das war der Leibwächter von Rahsaan Roland Kirk. Niemand sonst hat sich je darum gekümmert. Wir saßen buchstäblich mit dem Kassettenrekorder direkt vor uns.“
Jahrzehnte später kann Kolosky deshalb immerhin heraushören, die Stücke seien noch nicht so ausgearbeitet gewesen wie wenig später auf dem Album „The Inner Mounting Flame“.
Siebenmal hat das Mahavishu Orchestra in Deutschland gespielt, zum ersten Mal am 17. August 1972 in München, im Kongress-Saal des Deutschen Museums, anlässlich des von Joachim Ernst Berendt organisierten Olympia-Jazzfestivals. Sechs weitere Konzerte dann im Juni 1973, u.a. am 3. Juni in der Rheinhalle Düsseldorf (was der Rezensent besucht hat).
Letztes Konzert der untereinander zerstrittenen Band am 30. Dezember 1973 im Masonic Temple Auditorium in Detroit. Im Buch wird als Zeitzeuge der damals 13jährige Rod Sibley von der Cass Technical High School zitiert:
„Als Zugabe spielten sie etwa zehn bis fünfzehn Minuten lang ein Stück, das ich vorher noch nicht gehört hatte. Am Ende, so erinnere ich mich, nahm Billy ein paar Schlucke 7-Up, bevor sich die Gruppe wie üblich verbeugte. McLaughlin wünschte dem Publikum alles Gute für das neue Jahr, und dann gingen sie von der Bühne. Ich hatte keine Ahnung, dass ich die fünf Originalmitglieder des Mahavishnu Orchestra zum letzten Mal zusammen gesehen hatte.“
erstellt: 27.04.25
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