What you have missed: Lukas König, Klangspuren, Innsbruck

Der Club Bahnhof Ehrenfeld von Innsbruck heisst p.m.k. und hat die nun wirklich lagegemäße Postanschrift Viaduktbogen 19.
Wie bei seinem größeren Bruder in Köln haben zuständige Ingenieure vor Inbetriebnahme sicher geprüft, ob die Pegelausschläge in der Röhre den Gleiskörper darüber verformen. In den Röhren nämlich wird´s laut.
Ähnlich des CBE (cologne jazzweek) ist auch das p.m.k. Festival location, bei den Klangspuren. Schon ein kurzer Vergleich der Programme zeigt, dass das p.m.k. übers Jahr weitaus mehr die Avantgarde beherbergt.
Insoweit also ein geeigneter Ort, um den „Jazz“ (oder sagen wir lieber) Improv-Anteil der Klangspuren zu starten, eines Festivals, das sich überwiegend der Neuen Musik zuwendet.
Er beginnt mit Lukas König aus St. Pölten, den wir an dieser Stelle als Drummer im Trio von Malcolm Braff bestaunt haben.
Dazwischen, es sei beklagt, tut sich unsererseits eine große Lücke auf. Denn nichts außer dem Namen verbindet den Meister verdrehter Funk-Rhythmen von 2011 mit dem Lukas König von heute, dem Performer von „frozen idiophone“.
Denn darin bricht König mit einer jahrhundertealten Praxis, Marimbaphon und Cymbal so zu verwenden, wie ihr Name sagt: als Idiophone, als Selbstklinger.
Klar, er nutzt sie als trigger für allerlei elektro-akustische Transformationen. Die Idee ist nicht ganz taufrisch, wurde aber wohl selten so radikal verfolgt.
Eine gute halbe Stunde lang freilich kann sich vieles, was König mit dem Marimbaphon anstellt, was er schlägt, streicht, sampelt, kaum gegen ein lärmendes Feedback-drone behaupten. Die Jazzpolizei war schon versucht, einfach mal wegzusacken.
Lukas Konig pkm   1Da, plötzlich wird´s „melodisch“, das Marimbaphon in seinem Eigensinn schwimmt oben auf den klanglichen Verfremdungen. Es gibt nicht nur anderes zu hören, sondern auch zu sehen.
Von Anfang an nämlich folgt der Lichtkünstler BR Laser (Bernhard Rasinger) König. Nomen es omen; Rasinger folgt mit Lasertechnik, und bis zu diesem Zeitpunkt sah´s überwiegend bunt und schwindelerregend rund aus.
Jetzt wird´s nicht nur mehr eckig, die Formen überlagern sich, jagen einander in Vielfalt. Akustik und Optik scheinen aufs Innigste verschränkt, man meint, das Tremolo der Schläge in den Zacken der Laserblitze zu erkennen.
Als König dann für die letzten 20 Minuten (der knappen Stunde) ans Becken wechselt, dreht er die Performance vollends. Der Tanz der Sinne - pardon für den kölschen Ausdruck - wird nun wirklich raderdoll.
Das cymbal als Idiophon hat rein gar nichts mehr zum Sagen, Lukas König bearbeitet es u.a. mit zwei Stäben (die sich später als Dildos herausstellen).
Mit zwei Fußpedalen triggert er digitale Helferlein. Dadurch kann auch der Schuppen nun seine eigentliche Qualität ausspielen, nämlich beats in tiefer Frequenz ultra-trocken abzudrücken.
Ja, das ist technoid, aber nicht Techno. Es gibt keinen durchlaufenden Beat.
Ob das nun wirklich eine Komposition war, wie in der Anmoderation klassifiziert? Wir werden es den „Komponisten“ fragen.
Er trifft heuer in Schwaz auf Studio Dan und die Flipperkünstlerin Victoria Shen.
Stay tuned.

erstellt: 22.09.23/ergänzt 23.09.23
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