Man kann mit guten Gründen von Till Brönner beeindruckt, ja begeistert sein.
Dank digitaler Übertragungswege an jedem Ort der Welt.
In Frankfurt am Main (Börsenplatz!) aber ganz besonders. Die Zeitung, hinter der immer ein kluger Kopf steckt, ist dank einer mehrtägigen Residenz von Kunst & Erscheinung des „charmant kommunikativen Jazzmusikers vom Niederrhein“ (mit Wohnsitzen in Potsdam und Los Angeles) vollkommen entfesselt.
Und macht ihrer Zuneigung Luft in einer Hagiographie, metaphernschwer, wie es sich für eine Finanzmetropole geziehmt.
Daß auf die viertätige Residenz am Main „kein Schatten (fiel)“, hätten wir auch einem Sven Plöger (samt rudernder Armbewegungen) abgenommen.
„Für jeden Veranstalter ist Till Brönner eine sichere Bank“, das klingt schon eher nach Börsenplatz.
Denn „…was er künstlerisch investiert, wirkt handwerklich perfekt, vollkommen transparent und fast schon börsentauglich“ - und ist durch die Einschränkung „fast“ nur noch um eine Messerspitze entfernt von „Grie Soß mit Eiern“. Frankfurterischer geht´s nimmer.
Gibt es einen besseren Auftakt für die nächste Eloge, dass das beste Interview mit Brönner (…und es gibt viele gute…“) „durch einen Wirtschaftsredakteur vom Handelsblatt (leider aus der Destination Düsseldorf, Anm. JC) geführt wurde“.
Die Frage von dort: „Sind Sie mehr Unternehmer oder mehr Musiker?“ parierte der schlagfertige Künstler aber sowas von marktwirtschaflich:
„Wer in einem Wirtschaftsumfeld arbeitet, weiß: Die Marke muss gepflegt werden, jeder Ausrutscher schlägt sich negativ nieder. So ist das auch in der Musik.“
Und dann obenauf, als Glanzlicht, der Zentralgedanke des branding schlechthin: „…wie machst du es, dass Leute deinen Namen oder dich sehen und sagen: Ach ja, das ist doch der Trompeter – auch wenn ich meine Trompete gar nicht dabeihabe.“
Es folgt eine der best ever definitions dessen, was auch an der Börse unabdingbar geworden ist, das Hochjazzen:
„Als versiertem Jazzmusiker gelingt es ihm, auch aus trivialen Tonverbindungen raffinierte, phantasievolle, originelle Stehgreifkompositionen zu entwickeln, die der Unternehmer dann als populäre Marke präsentiert“.
Alsdann holt die FAZ-Hommage tief Luft zu zwei Vergleichen; zunächst um „Till Brönner in einem Atemzug mit Franz Beckenbauer zu nennen“. Verdankten doch beide ihre Wertschätzung - national wie international - „der Schwerelosigkeit, mit der sie ihrer Profession nachgehen oder -gingen“.
Nun mag selbst Nicht-Fußballexperten aus den zahllosen Nachrufen aufgegangen sein, dass den Innovationen dieses Kaisers (z.B. die Rolle des Liberos neu definiert zu haben) aufseiten des Trompeters, außer „Schwerelosigkeit“, nichts entspricht.
An vier Tagen in FFM, so lesen wir, habe der sympathische Trompeter ein ganzes Bündel an Visitenkarten abgegeben, gemeint: ein vielfältiges Bild als „Genie“ (FAZ) gezeigt.
„Auf einer Seite dieser Visitenkarte stehen zwei Worte von Frank Sinatra: My way. Auf der anderen zwei Worte von Miles Davis:
So what. Ohne Fragezeichen.“
An diesem Bild stimmt nun gar nichts mehr.
Sinatra hat den Song vielleicht „genial“ interpretiert, nicht ein Wort an dem Text stammt allerdings von ihm, sondern von Paul Anka (und anderen).
Und Miles Davis´ „So What“; hier offenkundig nicht in Anspielung auf den epochalen Status des gleichnamigen Stückes gedacht, sondern im Sinne des alltagssprachlichen „Ihr könnt mich alle mal!“, ist nun wirklich „Milestones“ entfernt von einer auch nur assoziativen Übertragbarkeit auf den nicht nur sympathischen, sondern sicher auch exzellenten Trompeter aus Viersen, mit Wohnsitzen in Potsdam und Los Angeles.
erstellt: 31.01.24
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