"Entwurf einer Rheinlandschaft"

Eine ganze Zeitlang wollte es scheinen, als pausiere die Rheinschiffahrt.
Als wollten auch die schweren Kähne auf ihre Art am „Entwurf einer Rheinlandschaft“ mitwirken.
Indem sie den Bogen an Rheinkilometer 714 meiden.
MS MS Krokodil 1Krokodil - sonst an Rheinkilometer 677 verankert, es versieht seinen Dienst als beliebte Fahrradfähre zwischen Köln-Weiß und Köln-Zündorf - trat deshalb umso deutlicher hervor.
In einer Postkarten-Abendstimmung nahm es, so wollte es scheinen, zunächst die Muschelhorn-Töne vom Nachbarschiffchen auf und reichte sie tief-transponiert von der Flußmitte ans Ufer weiter. Später machten sich Sänger und Sängerinnen an Deck bemerkbar.
Zu diesem Zeitpunkt kreuzten dann wieder zwei, drei Schubschiffe den weiten Ort der Klanginstallation.
Und man wünschte sich insgeheim, sie hätten sich mit einem tiefen „Tuuut“-Salut beteiligt.
Möglicherweise aber, die Wasserpolizei patroullierte sichtbar, sind solche Signale nur in Not gestattet - und die Eröffnung der Monheim Triennale stellt einen solchen Fall nicht dar.
Am Ufer war allenfalls der Geysir im Kreisverkehr ausgeschaltet, eine Bushaltestelle aufgehoben, weil etliche Kabel verlegt und Lautsprecherboxen aufgestellt.
„Entwurf einer Rheinlandschaft“ begann gegen 21:30 Uhr ganz entspannt, wie man es von der Herkunft ihrer Schöpfers Markus Schmickler erwartet, mit langsam anschwellenden, räumlich verteilten drones, gewissermaßen den Signaturklängen der Elektro-Akustischen Musik.
Der Muschelhornspieler ward nahezu unbemerkt ans Ufer gebracht, an Land kreuzte seinen Weg eine weitere Muschelhornspielerin, Mitglieder des Akkordeon Orchesters von Bayer Leverkusen spielten Minimal-Patterns vom Blatt, vom anderen Ende des Rundplatzes hallten Paukenschläge einer Perkussionistin herüber.
Vom Balkon im ersten Stock eines Wohnhauses warf ein Posaunenquartett ein Motiv herab, weit höher, vom Dach eines Hotels, tat ein Trompetenquartett ein Übriges.
Die einzelnen Ereignisse einer solchen lebendigen Klangaktion mögen isoliert erscheinen. Es geht gar nicht anders, es schadet nicht, die Besucher sollen ja wandern, sie sollen unterschiedliche Hörperspektiven einnehmen. Die immer, auch das ist erwünscht, mit visuellen fest verpaart sind.
Das Auge hört mit. Was schon im Konzertsaal gilt, gilt open air umso mehr.
Schmickler Sprecherinnen 1Irgendwann aber, wohl zur Hälfte der guten Stunde, als die großen Pötte stumm passierten, war der Elektroniker Schmickler weitgehend ausgeblendet, es übernahmen die vertrauten Muster der Neuen Musik.
Eine Baritonsängerin (!), Lucia Lucas, schmetterte, ein Sprechchor (Bild), in den sich auch Schmickler reihte, rhythmisierte einen Text. Die Jazzpolizei dachte „Heiner Müller“, nein, es war aus den „Heterotopien“ von Michel Foucault.
Schwere Zeichen also.
Und doch, auch weil man bei Bedarf mit dem Bierglas in der Hand daran vorbei schlendern konnte, sog der Abend sie sanft in den Gleichmut seiner Schönheit auf.

erstellt: 23.06.22
©Michael Rüsenberg, 2022. Alle Rechte vorbehalten