Eine Triennale ist auch nicht mehr das, was sie einmal war.
Anstatt ihrer nominellen Verpflichtung nachzukommen und nach einem lauten Auftreten in der Folge zwei Jahre lang zu schweigen (wie die MusikTriennale Köln, 1994, fff.) folgt sie, je nach Ort, einer jeweils anderen Auslegung der Zahl „drei“.
Bei der Ruhrtriennale/Festival der Künste versteht man darunter eine alle drei Jahre wechselnde Intendanz - bei jährlichem Spielbetrieb.
Die Monheim Triennale kennt bei ebenfalls jährlichem Spielbetrieb seit 2020 nur den Gündungsintendanten Reiner Michalke, ad lib. Und dazu ein gegenüber Michalkes Stadtgarten-Jahrzehnten erweitertes System von derzeit fünf KuratorInnen (wir kommen darauf zurück).
Die Monheim Triennale folgt - falsches Bild, aber nicht ganz falsch - einem Dreistufen-Modell. Im Juli 2024 läuft die Triennale II, und zwar The Prequel, der programmatisch eng verknüpfte Vorgriff auf die Hauptsache in 2025 (mutmaßlich wieder auf einem fest-vertäuten Rheinschiff, weil die Kulturraffinerie K714 dann noch nicht fertig sein wird.)
Auftakt zur Triennale II war im vergangenen Jahr The Sound, eine Klangkunstausgabe des Festivals (u.a. mit Robert Wilson), und aller Voraussicht nach wird die Triennale III in 2026 u.a. wiederum mit einer aus dieser Welt markanten Künstlerpersönlichkeit starten.
Das Tableau der 16 Künstler für The Prequel steht sein einigen Monaten fest. Inzwischen ist quasi ein 17. dazugekommen: Mika Kaurismäki, 68, der ältere der beiden berühmten Filmemacher aus Finnland. Er wird The Prequel II dokumentarisch begleiten.
Der andere Star unter den 16 auf der der Bühne (das Festival wirbt so mit beiden) ist der Ruhrtriennale-Chef der Jahre 2012-2014: Heiner Goebbels.
Ihm war zwei Wochen zuvor eine eigene Pressekonferenz im Stile einer Matinee gewidmet. Am selben Ort: in der Villa am Greisbachsee, inzwischen Büro der Triennale-Administration sowie Refugium für MT-Künstler.
Der renovierte Bungalow aus den 50ern ist auch mit einem Konzertflügel bestückt. Er kam weidlich zum Einsatz in dem Gesprächskonzert mit Thomas Venker, einem der Kuratoren; mehrfach um z.B. die frühen Jahre des inzwischen 71 Jahre alten Künstlers zu illustrieren:
Goebbels´ frühe Jahre in einer Kleinstadt in der Pfalz, Anfang und Mitte der 60er, wo dem jüngsten unter drei Brüdern das Hören der aktuellen Popmusik (Beatles!) auf wöchentlich einen Tag rationiert war. Im Radio.
Das häusliche Klavier - nicht etwa der Cassettenrecorder wie bei den Gleichaltrigen - wurde ihm dabei zum „Medium der Aufzeichnung“. Er geht zum Flügel und schlägt die Eingangstakte von „Lady Madonna“ an.
Und eben dort spielt er den langsamen Satz aus Bachs Italienischem Konzert, zum ersten Mal nach 58 Jahren, als er es in Landau öffentlich vortrug.
Die Wahl des Klaviers damals war keineswegs frei, sie ergab sich aus der Vervollständigung eines klassischen Trios, in dem Violine und Cello bereits durch die älteren Brüder besetzt waren.
„Lebensverändernd“ dann der Besuch der Donaueschinger Musiktage, 1971 der Auftritt von Don Cherry samt Entourage; 1972 John das Mahavishnu Orchestra in München. Zwischendrin die Klaviersonate von Alban Berg, eine der Sonaten von Scarlatti, er spielt sie an im Haus am Griesbachsee.
Heiner Goebbels ist nicht der große Improvisator, vielmehr ist „Improvisation der wichtige Weg, wie ich zu meinen Arbeiten komme“. Er gehört lange schon zu den Gebenedeiten, die lange vor der Niederschrift einer Komposition mit einem ganzen Orchester Unfertiges proben und diskutieren (!) können. Goebbels ist, nach eigener Auskunft, unbedingt ein Teamarbeiter.
Das dürfte ihn insbesondere an Monheim reizen. Als Ausblick auf seine Präsenz bei The Prequel II ruft er vom iPad die betörende Stimme eines armenischen Opernsängers ab und rankt improvisatorisch Akkorde drumherum.
Ob er das auch im Juli 2024 aufführen wird? Kann sein. Es könnte aber auch sein, dass er - sagen wir - dem Wunsch der schottischen Bagpipe-Spielerin Brìghde Chaimbeul entspricht und mit ihr im Duo oder in welcher Formation auch immer auftritt.
Bei The Prequel II können die 16 untereinander wählen, wen sie wollen; sie können miteinander reden, sie können proben - müssen aber nicht. Der gar nicht so klammheimliche Wunsche des Intendanten Michalke wäre erfüllt, wenn KünsterInnen ohne jede Vorbereitung auf die Bühne gingen.
Trienale PK: Reiner Michalke, Shannon Barnett, OB Daniel Zimmermann, Rainbow Robert, Achim Tang (community artist)
Er trau ihnen alles zu. Und wenn´s mal klamm werden und kein Lüftchen sich regen sollte, kann immer noch Shahzad Ismaily intervenieren. Er ist die Inkarnation der wildcard des Festivals, der absolute Darling aller bisherigen Triennale-Durchgänge. Derjenige, der durch seine Präsenz die Performer zu Entscheidungen zwingt - auch wenn er dabei nicht die Rampensau geben muss.
Das Vertrauten in die Qualitäten der 16 Eingeladenden ist wirklich grenzenlos. Sie sind handverlesen aus einer in die Tausende gehenden Auswahl, vom Intendanten samt fünf KuratorInnen. Zwei von ihnen, zwei langjährig Erfahrene, Weitgereiste waren auf der Pressekonferenz per Video zugeschaltet: Jessica Hallock, NYC sowie Rainbow Robert aus Vancouver (die, für sie, nachts um Drei von der Atlantikküste her einen Toast auf diese auch für sie einmalige Veranstaltung ausbrachte).
Die fünf plus Michalke sieben diskursiv solange, bis 16 übrigbleiben. Jede KuratorIn stimmt auch bei den Vorschlägen der anderen mit, kann aber mindestens eine oder zwei „wildcards“ unwidersprochen durchbringen. Die letzte Entscheidung darüber liegt beim Intendanten Michalke („das ist kein demokratischer Prozeß“).
Ja, es hat Ablehnungen gegeben, kollektiv und auch seitens der Intendanz, darunter auch eine - wir würden gerne sagen - gehypte Künstlerperson (wir formulieren hier ausdrücklich geschlechtsneutral).
Diese 16 signiture artists sind nicht nur zur Prequel 2024 in Monheim, sondern auch in der Hauptsache 2025 - dann mit ihren eigenen Ensembles. Wobei auch solche, die sich 2024 ergeben haben werden - nicht ausgeschlossen sind.
erstellt: 20.04.24
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