Der Preis der Anna-Lena Schnabel

Große Aufregung um die Echo-Jazz-Preisträgerin im Bereich Newcomer 2017, Anna-Lena Schnabel, eine fraglos talentierte Altsaxophonistin.
Das die Preisverleihung beim Elbjazz filmende NDR-Fernsehen verbietet ihr, beim Preisträgerkonzert ein eigenes Stück zu spielen, stattdessen „Peace“ von Horace Silver, das sich auch auf ihrer ausgezeichneten CD befindet.
Begründung: „Die Musik sei nicht gefällig genug, da würden die Leute wegschalten“, wie ZeitOnline über einen Film dazu von Jan Bäumer berichtet.
Der Vorgang selbst ist ein Skandal. Er fällt Bäumer vor die Füsse, und er nutzt ihn weidlich, indem er das Porträt der Musikerin dramaturgisch anlegt als Gang zum Preisträger-Mikrofon, wo die junge Künstlerin, der alle nachsagen, sie nähme kein Blatt vor den Mund, den entscheidenden Satz unterdrückt.
Sie spricht nicht von Zensur - und ihre Mutter in der ersten Reihe, die Entbehrungen in Kauf genommen hat für die Karriere der Tochter, ist überglücklich über deren Anpassung an das reale Leben.
Bäumer unterlegt dies mit Herzklopfen („Ich habe sie angefleht: tu´ es nicht!“) -
die Tochter gehorcht, sie versagt sich das speak out.
Die 3Sat-Doku unter dem Werner Herzog-reifen Titel „Der Preis der Anna Lena Schnabel“ steht im Netz.
Anna Lenna Schnabel

 

 

 


Anna-Lena Schnabel
in der NDR-Maske
© ZDF/Thomas Frischhut

 

 

 
Jan Bäumer aber ist kein Herzog, sondern einer (der wenigen), die den Echo Jazz zum Nennwert nehmen und ihn sich von Beteiligten schönreden lassen. 
Das Problem des Filmes beginnt in der ersten Minute, bei 0:29, als erstmals Wolf Kerschek im Bild sitzt, der Leiter des Fachbereichs Jazz an der Musikhochschule Hamburg, immer schön mit Hinterlicht auf der lockigen Haupthaarpracht.
Kerschek spricht von da an fotogene Sätze wie „Der Echo Jazz hat ein unglaublich riesiges Renommee“, er sei ein „Ritterschlag“ für die Beteiligten (die arme Anna-Lena kriegt kein Honorar, sie muss sogar das Hotel berappen, Mutter & Bruder zahlen je 110 Euro für ihre Plätze in der ersten Reihe).
Das Problem des Filmes ist auch bei 38:40 noch nicht behoben. Da tritt der Moderator der Gala hervor, der bei Preisverleihungen offenbar unverzichtbare Götz Alsmann, der die jeweilige jeweils superlativ findet, der Echo Jazz also „der wichtigste Preis in diesem Bereich der musikalischen Kunst“.
Das Problem des Filmes ist, dass er - nachdem das eingelagerte Porträt Anna-Lena Schnabel durch ist - sich immer noch an der „Zensur“-Frage weidet (die ja den NDR betrifft und nicht den Echo Preis), aber keine Zeugen findet, weil er vom System Echo so gut wie nichts weiß. 
Bäumer erzählt nicht davon, dass renommierte Labels den Preis seit Jahren schneiden, dass der berühmteste deutsche Jazzproduzent eine Auszeichnung für sein Lebenswerk abgelehnt hat. Er weiß nichts von den anderen deutschen Jazzpreisen, hoch-dotiert, die ihre Ausgezeichneten vor dem Auftritt nicht in die Maske schicken.
Der Echo Jazz ist eine Lachnummer. Man könnte ihn abschaffen, niemand außer dem ACT-Label würde ihn vermissen.
Götz Alsmann ist sowie gut beschäftigt.


erstellt: 22.10.17
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