Es war nur noch eine Frage der Zeit, nicht mehr eine Frage des Ortes, wo in unserer kleinen Welt der Überfall auf die Ukraine instrumentalisiert werden würde: ja, es ist das Moers Festival, pardon das moersland, wie es sich umgetauft hat -
„hier würden Bomben und Raketen dahin zurückfliegen, wo sie herkamen!“
Es ist zwar nur der Aufsichtsratsvorsitzende der Moers Kultur GmbH, Mark Rosendahl, der sich diese Geschmacks-, nein Schamlosigkeit erlaubt.
Aber vor ihm hatte sich auf derselben Pressekonferenz Christoph Fleischhauer (CDU) schon einer ähnlichen Denkfigur bedient.
Und der ist Amtsträger, nämlich seit 2014 Bürgermeister einer deutschen Großstadt namens Moers.
„Willkommen im moersland. Ich darf Sie im Namen aller schrägen und bunten Vögel in Moers ganz herzlich zu Hause am Bildschirm und hier im moersland als Avatare begrüßen.“
Ja, so spricht er wirklich. Und Fleischhauers Start ist nicht - wie Joe Bidens letzter Satz gestern in Warschau - improvisiert,
der Bürgermeister liest alles ab. Die in Moers um Einfälle nie verlegene Bildregie unterstützt ihn nach Kräften und kippt seine aufrechte Sitzposition um 90 Grad.
Fleischhauer zitiert dann, gute Idee, ein Gedicht von Erich Kästner („Die Erde soll früher mal ein Paradies gewesen sein“), dankt den Unterstützern des Festivals vom Bund bis hinunter zu einem lokalen Unternehmen.
Und dann drechselt er einen Gedanken, der nur möglich ist in einem Land, in dem Pressefreiheit herrscht, aber auch Narrenfreiheit für Bürgermeister:
„Im moersland gibt es keine Zerstörung, keine Brände, keinen Krieg. Auch wenn dies etwas schräg heute in Europa und in der Welt erscheinen mag. Hier, im moersland, begegnen sich Menschen allein in friedvoller Absicht. Wir freuen uns alle sehr auf das 51. Moers Festival“.
Dieser Satz fällt am 28. März, in der fünften Woche des Überfalls auf die Ukraine.
Die Jazzpolizei ist fassungslos. Sie will nicht weiter gucken.
Sie hofft, dass die Aufmerksamkeit des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk nicht so tief in die Provinz reicht, bis ins hilflose moersland.
Sein Zorn wäre berechtigt.
Und auch der von Friedrich Merz.
erstellt: 28.03.22
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