Viele Wege führen zur und durch die Cologne Jazzweek.
Sie findet tatsächlich schon zum fünften Male statt. Und auch der künstlerische Geschäftsführer, der Posaunist und … lokale Kulturpolitiker Janning Trumann, ist nicht in der Lage, wegen der Parallelität der Ereignisse in alle 45 Konzerte wenigstens auch nur mal ´reinzuschauen.
Ein Besuch des Festivals erfordert deshalb eine gewisse Kunst der Antizipation, vulgo: der Auslassungen.Die Jazzpolizei ließ sich, aus guten Gründen, vom größten Instrument des Premierentages anlocken, der gran cassa, der größten aus der Familie der Kesseltrommeln.
Und dies nicht wegen des mächtigen Wumms, den sie seit ihren frühen Tagen in der Militärmusik, aber auch in Beethovens Neunter oder Verdis „Aida“ abdröhnt, sondern wegen der Eignung ihrer Oberfläche als Membran.
Und da spricht die gute Erfahrung für die Art, wie der Norweger Ingar Zach seit Jahren dem Instrument den eigentlichen Zweck, nämlich einen Hieb oder auch beat, verweigert - bis er dann doch bisweilen ganz sanft von einem Paukenschlegel ausgeführt wird.
Seine Praxis, die Oberfläche der gran cassa zu streicheln und nicht zu schlagen, auf ihr wie auf einem Resonanztisch kleine Klangerzeuger zu verschieben, sein System der vibrating drum ist in Köln wohlvertraut, u.a. aus einem Konzert mit Christian Wallumrød.
Zach, geboren 1971 in Oslo, gehört bei der Cologne Jazzweek zum Quartett Tungemål des dänischen Gitarristen Mark Solborg, neben ihm, gleichfalls aus Dänemark Simon Toldam.
Der hat Spuren als exzellenter keyboarder in Köln hinterlassen, heuer dient er, ja man möchte schon sagen: überwiegend tupft er als Pianist.
Auch die portugiesische Trompeterin Susana Santos Silva erleben wir in einer anderen Rolle: als vorwiegende Melodieträgerin (wenn das Quartett sich denn auf den entsprechenden Inseln bewegt), aber auch am anderen Ende der Fahnenstange, als Geräuschemacherin. Sie bläst, nein sie haucht fast nicht in das Mundstück, sondern in die Ventile ihres Instrumentes.
Ja, ganz leis´ erklingt hier Improvisierte Musik (die Genre-Zuordnung fällt nicht schwer).
Die gedämpfte Lautstärke ist eine Wohltat. Man muss sich diese Atmosphäre als Äquivalent zu einem Dunkelrestaurant vorstellen: das Glimmen einer Zigarette erscheint einem nach der Phase der Eingewöhnung als grell. Hier verlangt´s einen nicht mehr nach einem Ausbruch, nach dem dynamischen other.
Die Subtilitäten verzweigen sich bestens im Horizontalen.
Und wen´s nach tiefen Frequenzen verlangt, bitte schön, Zach leitet von seinem Resonanztisch Entsprechendes ab, er setzt die gran cassa als elektro-akustisches Medium ein.
Nach 90 Minuten en suite verlangte es die Zuhörer nach Mehr. Der Bandleader Solborg beschied den Wunsch mit einem einleuchtenden Argument: nach diesem letzten Ton könne man nicht mehr fortfahren.Hernach, an der Bar des Loft, sah die Jazzpolizei zwei Membrankünstler im Gespräch, die sie sich während des Konzertes als verwandt assoziiert hatte:
Ingar Zach und Etienne Nillesen.
Der Praktiker der extended snare drum hatte tags zuvor, in der Kunststation St. Peter, Verwandtes, aber anderes Klingendes in einem lunchtime concert vorgeführt.
Auch dafür ist jetzt wieder die Saison angelaufen.
erstellt: 01.09.25
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