Cologne Jazzweek 2024 (1)

Die Cologne Jazzweek hat ihre vierte Ausgabe weit im Vorfeld mit einem Motto plakatiert, von dem die Macher vielleicht nicht wissen, dass es der Gattung fast seit Anbeginn anhaftet, seit den 1920er Jahren (vgl. Walter van de Leur. Jazz and Death. Reception, Rituals and Representation. Routledge, 2023):
„Jazz is dead“.
Die Cologne Jazzweek, in der Geschäftsführung (Janning Trumann) und im Künstlerischen Kuratorium (u.a. Lucia Cadotsch, Christopher Dell) genre-taxonomisch eindeutig ausgewiesen, stellt sich mit dem Motto unter einen Satire-Vorbehalt.
Die Cologne Jazzweek müsste von daher gar nicht mehr im Programmheft betonen „Natürlich ist der Jazz lebendiger denn je!“ Allein schon die Praxis der voraufgegangenen Festivals bot Belege für den Wahrheitsgehalt dieser These.
Sie berechtigt zu der Annahme, dass sie diesmal eine Fortsetzung finden könnte.
Offenkundig aber sind die Macher in den Maelstrom des Post-Genre-Diskurses geraten, wonach eine stilistische Bestimmung des Gehörten sich inzwischen vollends erübrigt.
Anders lässt sich kaum erklären, warum „Jazz“ (auch in einem breiten Verständnis) beim „Festivalauftakt“ in der Kölner Philharmonie bestenfalls in Spurenelementen vorhanden war.
Es war Pop. Und es sollte Pop sein.
Jazz is dead Salomea   1Zu den Models der „Jazz is dead“-Plakataktion gehörte neben Christian Lillinger (eine bessere Inkarnation der Falschheit der Aussage lässt sich kaum vorstellen) u.a. auch die Sängerin Rebekka Salomea (Ziegler).
Laut ihrem Wikipedia-Profil hat sie in ihrer Ausbildung eine typische Reihe von Jazzstationen durchlaufen (Musikhochschule Köln, Bundesjazzorchester), zudem unterrichtet sie Jazz- und Pop-Gesang dort, wo sie einst studiert hat.
Was Salomea gesanglich draufhat, kommt auf ihren Tonträgern deutlicher zum Ausdruck als auf der Bühne der Philharmonie. Erkennbar ein Hang zur Deklamation, Bewegungsdrang, Ausstellung von Selbstbewußtsein, alles konzeptionell so recht nicht beglaubigt. Große Geste, aber in einem stilistisch engen Korridor, wenig Jazzflair.
Das ist Pop, Pop von Jazzmusikern gespielt. Wenn man´s weiß, hört man es sozusagen „höherwertig“.
Der Schlagzeuger, Leif Berger, wird in wenigen Tagen - völlig zurecht - mit dem Kölner Jazzpreis ausgezeichnet.
Salomea hatte ein Heimspiel. Beträchtliche Publikumsanteile in der bei weitem nicht ausverkauften Philharmonie schienen festentschlossen, noch jedes Detail mit Entzücken zu quittieren.
Und sie liessen sich kaum davon abhalten, dies nach der Pause fortzusetzen - es war ein Absturz.
Zunächst drei Stücke von Sam Wilkes, Baßgitarre solo. Das ist eine Kategorie, in der die Amerikaner - wie in kaum noch einer anderen - die Nase vorn haben. Und man muss dabei nicht mal einen Gedanken an Jaco Pastorius verschwenden.
Auch Mr. Wilkes bedient den berühmten Fender-Bass, vor sich ein halbes Dutzend Fußgeräte auf dem Boden, darunter delay und looper. Alsdann schichtet er ein paar Linien zu einer Art Telefonschleifen-Musik.
Dass es ihm „eine Ehre“ war, dass die Philharmonie Köln derlei Proberaumspielereien mit großem Beifall entgegennimmt, kann man gut nachvollziehen.
Genevieve Artadi Cniclasweber 15
Sam Wilkes ist Mitglied des Quintetts von Genevieve Artadi.
Im Duo mit Louis Cole, dr, hat sie als Knower in Köln bei Klaeng Festival 2015 den Stadtgarten gerockt.
So war es auch diesmal geplant.
Nun ist Cole, wie schon vorher bekannt und auch hinreichend kommuniziert, durch offenkundig längere Krankheit verhindert.
Von dem ursprünglichen Konzept, einem hochtourigen drum´n´bass-Wirbel, blieb der weniger bedeutende Anteil zurück, die Sängerin Artadi mit einem Eiswaffel-Mikrofon.
Darin „Jazz“ nicht mal als klitzekleines topping.
Es kann nur - und es wird - besser werden bei der Cologne Jazzweek.

Foto: Niclas Weber
erstellt: 01.09.24

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