OLIVER LUTZ Re:Calamari ******
01. Fusion (Slavin), 02. His Beardness (Pablo Held), 03. Trouble-
maker (Slavin), 04. A different Angle (Lutz), 05. Friends for a Night, 06. Java ́s Lawn, 07. MTBs & BBQ, 08. Oh, Mirror in the Sky (Slavin)
Wanja Slavin - ss, as, fl, synth-progr, Pablo Held - ep, org, p, Oliver Lutz - b, bg, synth-progr, Andi Haberl - dr, perc, Rebekka Salomea - voc (2, 7)
rec. 10/2019
Klaeng Records 048
Müsste man sich ganz kurz fassen und den Inhalt dieses Albums auf einen Slogan verkürzen, vielleicht weil er über den Rhein gerufen werden sollte… er lautete:
„Canterbury in Köln!“
Mit diesem Motto könnten vermutlich nur ältere Semester etwas anfangen. Hörer, die wissen, dass der Canterbury Sound nicht nur in Kent produziert wurde, ja dass seine Blütezeit in London stattfand.
Hörer, die einen spezifischen Sound im Kopf haben, aber sehr wohl die Unterschiede zwischen Soft Machine, Caravan, Hatfield & The North oder National Health wahrzunehmen wissen.
Das sind Assoziationen, Verständigungshilfen, wenn man sich über Musik austauschen will, noch keine exakten Defitionen auf einer Beschreibungsebene.
Obwohl, gleich der Auftakttrack legt einen Gattungsbegriff nahe, der über die gesamte Dauer des Albums, 36 Minuten, nicht mehr weichen will:
Fusion.
Und im Hauptinstrument des Komponisten, Wanja Slavin, artikuliert sich sogleich Widerspruch gegen die proklamierte Canterbury-Ästhetik.
Der Berliner Slavin, den wir als stürmischen, ja bisweilen stupenden Altsaxophonisten kennen (beispielsweise aus Amok Amor) gibt sich hier sanft. Ganz überwiegend spielt er Sopran, und er spielt es deutlich im Klangschatten von Wayne Shorter.
Pablo Held hat ihm obendrein mit „His Beardness“ auch ein ausgesprochen Shorter´reskes Thema vorgelegt (wie später auch Lutz mit „Friends for a Night“).
Pablo Held an keyboards ist nicht für Kölner (in dieser Funktion kennen sie ihn hinreichend aus den Clubs), aber sicher für Auswärtige eine Überraschung und Entdeckung. Er bedient nicht nur nur ein E-Piano, einen Software-Synthesizer, die alte Farfisa-Orgel, sondern auch einen Klassiker-Synthie aus den 80ern (DX7) sowie ein Klavier.
Held & Slavin sind Gäste bei Oliver Lutz, Jahrgang 1986, der in Mannheim und Köln Bass studiert hat. Man kann ihn aus dem Doppeltrio Makkro kennen.
Gegenüber zwei Vorgänger-Alben, wie man sie auf bandcamp heranziehen kann, ist ihm mit „Re:Calamari“ nun ein echter Wurf gelungen.
Das ist ganz sicher nicht der „Rhine Sound“, mit dem manche in höchster Verlegenheit Pablo Held dekoriert haben, man würde - siehe oben - „Re:Calamari“ ohnehin nicht in der Domstadt verorten, dafür klingt es zu „britisch“.
Es bietet auch nicht unbedingt Novitäten. Aber es ist richtig gut gemacht und - unterhaltsam. Das liegt, last not least, auch an Schlagzeuger Andi Haberl.
Was geradezu besticht, ist eine gewisse Melodien-Seligkeit in den riffs, ist Klang-
schönheit, ist die Engführung zwischen Saxophon (in „His Beardness“ auch Flöte) und keyboards, wobei - genau hingehört - letzere eben keineswegs gestrig klingen. Pablo Held verschiebt nicht selten seine E-Piano-Tropfen in den Tonhöhen minimal.
Eine schöne, eine vortrefflich produzierte Genremusik aus Köln - was für eine Überraschung.
erstellt: 03.09.20
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