UMO JAZZ ORCHESTRA with MICHAEL BRECKER
Live in Helsinki 1995 ********


01. Invitation (Kaper), 02. Slang (Michael Brecker), 03. Andrea´s Song (Chuck Clark), 04. Nica´s Dream (Horace Silver), 05. Ginare (Lintinen), 06. The Meaning of the Blues (Troup), 07. The big Picture (Vince Mendoza), 08. Song for Barry (Michael Brecker), 09. Nutville (Silver), 10. Never Alone (Michael Brecker)

Michael Brecker - ts
Esko Heikkinen, Timo Paasonen, Sami Pöyhönen, Tero Saarti - tp
Markku Veijonsuio, Mikko Mustonen, Pekka Laukkanen, Mikael Langbacka - tb
Pentti Lahti, Mikko Mäkinen, Teemu Salminen, Manuel Dunkel, Pertti "Peppa" Päivinen - saxes
Seppo Kantonen - p, keyb, Markku Kanerva - g, Pekka Sarmanto - b, Pekka Pohjola - bg (1,5,8), Markus Ketola - dr, Rocardo Padilla - perc (1,4,5,8,9,10)
Rich Shemaria - cond

rec. 20.10.1995

Membran/Random Acts Rec. RAR1018CD

Die Botschaft dieses Albums wurde - wir wollen freundlich sein - ein wenig unglücklich kommuniziert:

„This is Tenor Saxophone Legend Michael Brecker´s only recording fronting a Big Band“.
Der Wortlaut legt nahe, das Label aus Florida habe schlicht die Grammy Verleihung 2007 überhört, nämlich die Auszeichnung für „Some Skunk Funk“ von Michael und Randy Brecker mit der WDR Big Band.
Hat das Label aber nicht überhört, sondern den Satz von keinem weniger Zuständigen als Randy Brecker übernommen.
Und er ist richtig.
Randy ist im Herbst 1995 tatsächlich nicht dabei. Allerdings bittet ihn zwanzig Jahre später Susan, die Witwe von Michael Brecker (1949-2007), um eine Bewertung der fraglichen Aufnahme. Als Randy dann vom Label eine mp3 des rough mixes erhält, hört er nicht mal ganz durch und trompetet dem Labelchef via e-mail:
„Put this sucker OUT!“
cover brecker UMOMan muss diese Vokabel nicht übersetzen; wer track 5 hört, „Ginare“ vom finnischen Komponisten Kirmo Lintinen, eine 10-Minuten-Ballade, die heavy aufschäumt, insbesondere zwischen 5:45 und 9:45, wo Michael Brecker und Manuel Dunkel den schönen Jazzbrauch des tradin´ eights, also des Solowechsels nach je 8 Takten, ausüben und Seppo Kantonen während dieser Zeit einen fetten keyboard-Akkord kaum variiert als Orgelpunkt einfach so liegen lässt (leider ein sehr rarer Jazzbrauch), kann unschwer sich vorstellen, wie der Brecker-Bruder in den „Sog“ dieser Aufnahme geraten ist -
wie übrigens auch die Besucher des Royal Cotton Club zu Helsinki.
Wenn er vier tracks später, in dem Latin-Blues „Nutville“ von Horace Silver, die Tenorschreie seines Bruders vernimmt, wird er wohl senkrecht im Sessel gestanden haben. Michael Brecker, der sich gerne exponiert, exponiert sich hier wie sonst nur noch im „London Concert“ von Don Grolnick.
Und die Finnen halten mit, sowohl über den binären (Latin) Teilen als auch über den ternären, im uptempo swing; wiederum jener Seppo Kantonen wie auch die beiden Rhythmiker Markus Ketola und Ricardo Padilla.
Apropos Don Grolnick „London Concert“, das war im gleichen Jahr, 1995!
Wir dürfen im Nachhinein einen Höhepunkt der Karriere von Michael Brecker erkennen: das zweite Album der Reunion der beiden Brüder war gerade auf dem Markt („Out of the Loop“, 1994), im selben Jahr eine Gastrolle bei McCoy Tyner („Infinity“) und im Jahr darauf das vierte MB-Soloalbum „Tales from the Hudson“, wiederum mit McCoy Tyner und einer All-Star-Mannschaft.
1997 unternimmt ein anderer US-Amerikaner, der Trompeter Tim Hagans, gleichfalls einen Ausflug zu UMO nach Helsinki, unter dem nahezu frivolen, aber bestandenen Anspruch „Electrifying Miles“.
Seither wissen wir, was wir von diesen Big Band-Finnen zu halten haben, und dieses Brecker-Projekt bestätigt ihren Ruf.
Passionierte Jazzrock-Handwerker sind das, zum Teil ausgestattet mit beachtlichen solistischen Qualitäten, denen nichts ferner liegt als jene Humor-Portionen, womit heutzutage viele aus dem Lande von Iiro und seinen Rantalas nerven.
Was gäbe es im Umfeld von Michael Brecker auch zu lachen? Freude am Gelingen, Freude am Fluss der Dinge sucht sich einen Ausgang besser über andere als die Lachmuskeln.
Nicht alles übrigens überzeugt so, wie die genannten Passagen bzw. Stücke  (man müsste unbedingt auch das Brecker-Solo im Schlusstrack hinzufügen) - dem Fanfaren-Thema in „The Big Picture“ von Vince Mendoza (aus seinem Debütalbum von 1988) mangelt es gegenüber der Erstaufnahme an Eleganz; den Groove haben die Studiocracks in New York City (u.a. Will Lee, Don Grolnick, Peter Erskine) damals eher als Schreittanz inszeniert.
So what. Das Fassungsvermögen dieser CD ist mit 73:50 dermassen ausgereizt, dass man den Beifall für „Never alone“ ausgespart hat.
Wie er vermutlich ausgefallen ist, kann man sich leicht ausmalen.

erstellt: 22.09.15
©Michael Rüsenberg, 2015. Alle Rechte vorbehalten