BILL BRUFORD & MICHIEL BORSTLAP Every Step a Dance, Every Word a Song *******

CD 1: 1.The 16 Kingdoms of the 5 Barbarians (Borstlap, Bruford), 2. Bemsha Swing (Monk, Best), 3. Inhaling Shade (Borstlap, Bruford), 4. One big Vamp, 5. Round Midnight (Monk, Williams, Hanighen), 6. Every step a dance, every word a song (Borstlap, Bruford), 7. Stand on Zanzibar, 8. Swansong
CD 2: diverse ältere Earthworks-Aufnahmen, mit Interview

Bill Bruford
- dr, Michiel Borstlap - p, keyb

rec ?/2003 + ?/2004
Summerfold Records BBSF006CD

www.billbruford.com

Für ein Konzert am 3.11.02 in Nijmwegen/Holland, veranstaltet von der niederländischen Programmgesellschaft NPS, darf Michiel Borstlap sich einen Duo-Partner aussuchen. Die Wahl des niederländischen Pianisten, der u.a. eine Komposition im Repertoire von
Herbie Hancock & Wayne Shorter placiert hat, fällt auf Bill Bruford.
Bruford und Piano-Partner, hatten wir das nicht schon mal?
Yes, Sir! 1983 sowie 1985 mit dem - gleichfalls - ex-
Yes-Mann Patrick Moraz.
Das neue Unternehmen (übrigens schon die zweite Veröffentlichung des Duos; die erste wird in Kürze in der JNE rezensiert) knüpft allenfalls formal am Vorgänger an, Borstlap ist pianistisch denn doch anderen Zuschnitts als Moraz, er spielt weitaus jazznäher. Aber auch nahe genug?
Der Auftakt ist grandios: Bruford eröffnet mit einem log-drum-pattern, darüber Borstlap mit dem dunklen Glockenklang von
Don-Grolnick-keyboard-Akkorden (a la Scofield "Still Warm", 1985). Bruford wechselt zu einem mächtigen beat auf dem kompletten drum set und setzt das schnelle log-drum-pattern oben drauf. Borstlap schiebt immer wieder eine zweistimmige Piano-Figur dazwischen und wölbt den keyboard-Himmel immer wieder neu.
Herrschaften, was für eine Baustelle! Alle
King Crimson- und Earthworks-Infizierten fühlen sich sofort pudelwohl.Das B-Thema ist eine angeshuffle-te Piano-Linie, die den Rest des Stückes bestimmt und damit den zweiten track vorwegnimmt.
Das ist eines jener
Monk-Schlachtrösser, die man unendlich dehnen und stauchen kann - wenn man denn nur nicht die time vergisst. "Bemsha Swing" halten die beiden sehr schön in einer Schwebe zwischen swing und Shuffle, bis Borstlap die Spannung auflöst, indem über das keyboard mit der linken Hand einen walking bass laufen lässt. Ähnlich agiert er auch in "One Big Vamp".
"Round Midnight" lässt er in der Version dieses Albums sofort erkennen (oft verschleiert er den harmonischen Zusammenhang bei diesem Stück); sie läuft lange als rubato, also beat-los mit variablem Tempo, auf eine cue Phrase hin steigt Bruford mit einem
swing ein.
Seine diesbezüglichen Fähigkeiten wurden bislang selbst von denen in Zweifel gezogen, die sich an Bruford, dem Rock-Drummer, jedesmal berauschen. BB hat, liebe Freunde, in dieser Technik hinzugewonnen - wenn gelegentlich hier einer "zickt", dann ist es sein Partner am Piano (z.B. in "Stand on Zanzibar").
Michiel Borstlap war nie ein "amtlicher" Jazzpianist, seine Fabulierkunst, die er auch als Interpret auch an
Rachmaninoff oder Chopin schult, ist gleichwohl ein grosser Gewinn für den Verwandlungszirkus dieser kleinsten Gruppe, auf engstem Raum. Desöfteren aber wünschte man sich, Borstlap würde die Fontäne seiner Ideen mehr kanalisieren, nicht jeder Eingebung folgen und die jazzmässigen Gangarten stärker anspitzen.
(Möglicherweise hören Pianisten das ja ganz anders), aber der grosse
Charakterkopf hier ist nicht Borstlap, sondern Bruford. Der Mann schwimmt nie, spielt mit Kraft, ohne zu dominieren, und was er wo wie macht, nimmt man gut & gerne auf Wiedervorlage.

©Michael Rüsenberg, 2004, Nachdruck verboten