Hamburger Geschichten der Jazzgeschichtsphilosophie

Noch mal Glück gehabt!
Denn „ohne Betty Davis hätte es die revolutionäre Platte ´Bitches Brew´ und alles, was aus ihr folgte, nie gegeben“.
Also nix Weather Report, nix Hancock „Headhunters“, nix Chick Corea Return To Forever.
Nicht auszudenken, dass es vielleicht auch Menschen gar nicht gäbe, die von erregten Hörern unter dem Eindruck von „Bitches Brew“ im Frühjahr 1970 gezeugt wurden.
Nicht nur die Jazzwelt sähe also grundlegend anders aus, hätte nicht Betty Davis (bürgerlich Mabry) Miles Davis dermaßen den Kopf verdreht.
Sie „machte ihn mit Leuten wie Sly Stone und Jimi Hendrix bekannt, die gerade den Pop und die schwarze Musik neu erfanden – tatsächlich sehnte sich Miles zu diesem Zeitpunkt nach nichts mehr, als Teil dieser Bewegung zu sein. Den Jazz loszuwerden und Musik für eine neue Generation zu machen“.
Die Namen stimmen, zumindest sind sie richtig geschrieben, und der Einfluss von Betty Davis (1944-2022) auf Miles Davis (1926-1991), nicht nur in puncto Kleidung, sondern nachhaltiger in puncto Musik ist hinreichend dokumentiert.
Was Spiegel Online jetzt aber daraus macht, ist eine Klamotte.
Als Gegengift sei das Album „Filles de Kilimanjaro“ (1968) empfohlen, das mehrere Widmungen an sie enthält. Ihr Fotoporträt auf dem Cover sowie die tracks „Mademoiselle Mabry“ (inspiriert von Hendrix´ „The Wind cries Mary“) und „Frelon Brun“ (inspiriert von James Browns „Cold Sweat“).
Was Tony Williams (1945-1997) in letzterem veranstaltet, ist ein drum-concerto, das gleich in doppelter Intensität der Vorlage „Nefertiti“ (1967) einsteigt.
Williams wirkt an „Bitches Brew“ nicht (mehr) mit; „Frelon Brun“ nährt die Fantasie, wie die historische Session hätte klingen können - mit ihm.

erstellt: 10.02.22
©Michael Rüsenberg, 2022. Alle Rechte vorbehalten