JOHN SCOFIELD Uncle John´s Band *******
CD 1
01. Mr. Tambourine Man (Bob Dylan), 02. How Deep (John Scofield), 03. TV Band, 04. Back In Time, 05. Budo (Bud Powell), 06. Nothing Is Forever (John Scofield), 07. Old Man (Neil Young)
CD 2
01. The Girlfriend Chord (John Scofield), 02. Stairway To The Stars (Mitchell Parish, Frank Signorelli, Matt Malneck), 03. Mo Green (John Scofield), 04. Mask, 05.Somewhere (Stephen Sondheim, Leonard Bernstein), 06. Ray's Idea (Gil Fuller, Raymond Brown),
07. Uncle John's Band (Robert Hunter, Jerome Garcia)
John Scofield - g, Vicente Archer - b, Bill Stewart - dr
rec. 08/22
ECM 2796/97
Das erste Album des langjährigen Scofield-Trios ohne Steve Swallow, aber keineswegs das erste Scofield-Album mit Vicente Archer (er hatte sein Scofield-Debüt 2018 in „Combo 66“).
Das war zugleich die Quartett-Besetzung aus der Scofield-Film-Doku „Inside Scofield“
Das Repertoire ist nicht soviel anders. Und doch fehlt etwas: der sehr deutlich andere Baßsound Swallows, drahtiger, mehr auf den Punkt gespielt mittels seiner fünfsaitigen Baßgitarre.
Wohlgemerkt, das sind Nuancen, vielleicht sogar Mikro-Abstände. Die freilich in den Soli deutlicher zu Tage treten: Swallows Soli nehmen sich Raum wie eine zweite Gitarrenstimme in tieferem Register.
Vicente Archer ist dengegenüber ein sehr dienlicher Ensemblespieler, aber kein beeindruckender Solist.
Seine Domäne ist der swing: hier - Beispiele: „How Deep“, „Budo“, „Ray´s Idea“ - steht das neue Trio dem alten in nichts nach.
Wie gesagt, das Repertoire ist - stilistisch - nicht so verschieden.
Von den Vorlagen her schon.
Man könnte hinsichtlich der Stückeauswahl den Eindruck haben, Scofield habe sich das Motto des „autobiografischen“ Musizierens a la Bill Frisell zu eigen gemacht. Mithin Eindrücke der eigenen Musik-Sozialisation, speziell solche jenseits des Jazz, mitschwingen zu lassen.
Man findet einige Referenzen an Rockmusik und Populärkultur. Mit „Mr. Tambourine Man“ (von Bob Dylan, nicht von den Byrds) fällt er gewissermaßen mit der Tür ins Haus, mit den Grateful Dead („Uncle John´s Band“) schließ er sie wieder.
Letzterer erweist sich als braver Rocker, und die allerbravste Rock-cover-Version steckt in der Mitte, „Old Man“ von Neil Young.
In allen dreien setzt er Wes Montgomerys Oktavtechnik ein, in „Tambourine Man“ ein weiteres, diese Produktion prägendes Klangzeichen, nämlich reverse sounds, digital erzeugte rückwärts laufende Klänge.
Im Gegensatz zur ähnlichen Praxis bei Bill Frisell, der sie mäandern lässt, setzt Scofield sie strukturell ein, fast wie eine Orgelbegleitung.
Die weitaus besseren Rock-Momente stammen nicht von den Oldies, sondern von Scofield selbst. Die ersten zeigen sich in „TV-Band“, gefolgt von „Back in Time“, was sich kaum verhohlen bei Johnny Cashs „Ghost Riders in the Sky“ bedient.
Auf CD 2 dann zwei belebende Ausflüge in den New Orleans Swamp Funk: „Mo Green“, wo Scofield Bezug nimmt auf sich selbst, auf „Green Tea“ von „a go go“ (1997) - nur dass der New Orleans back beat bei Bill Stewart besser aufgehoben ist als seinerzeit bei Billy Martin.
„Mo Green“ glänzt zudem mit einem bluesigen Gitarren-Solo und „Mask“ als zweitaktiger Rock-Vamp, bei dem reverse sound geschickt in akkordischer Funktion eingesetzt werden.
„Absturz“ dann, super-entspannt, die Fassung von Bernsteins „Somewhere“, gefolgt von einem geradezu eleganten swing in Ray Browns „Ray´s Idea“.
erstellt: 20.11.23
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