NAPOLEON MURPHY BROCK & ENSEMBLE MUSIKFABRIK Play the Music of Frank Zappa. Bad Doberan & Elsewhere *******

01. Village of the Sun (Frank Zappa), 02. Echidna´s Arf of you, 03. Don´t you ever wash that thing?, 04. The Black Page Drum Solo/Black Page # 1, 05. Black Page # 2, 06. RDNZL, 07. Sofa No. 1, 08. Florentine Pogen, 09. Inca Roads, 10. Lemme take you to the Beach

Napoleon Murphy Brock - leadvoc, fl, ts

Ensemble Musikfabrik
Dirk Rothbrust - dr, director, Frank Wingold - g, Christopher Brandt - bg, Ulrich Löffler - p, keyb (1957-2022)

Helen Bledsoe - fl, Kristien Ceuppens - oboe, Carl Rosman - cl, voc (lead voc 10), Adrian Tully - sax, Christine Chapman - horn, voc, Rike Huy - tp, voc, Bruce Collings - tb, voc, Melvyn Poore - tuba, Benjamin Kobler - keyb, Thomas Meixner - perc, Rie Watanabe - perc, mar, Hannah Weirich - v, Sara Cubarsi - v, Axel Porath - va, Dirk Wietheger - vc, John Eckhardt - b

rec. 21.07.2019

Yatakrecords YR022

Heute jährt sich der Todestag von Frank Zappa zum dreißigsten Male.
Und es ist kein Risiko zu sagen: er gehört zum Kanon. Zu dem der Rockmusik sowieso - aber auch zu dem der klassischen Orchesterwelt.
Ein Blick in den Katalog des Musikverlages Schott macht Staunen, wie viele für klassische Formate - über die allseits bekannten Stücke hinaus - notiert vorliegen, und wo sie aufgeführt wurden, bis hin zum Singapore Symphony Orchestra.
Insofern spricht nicht von großem Mut, sondern von einer Standardsituation, dass das WDR Sinfonieorchester jüngst zwei Zappa-Partituren auf den Pulten hatte, mal wieder.
„While you were Art II“, aus dem zu weiten Teilen für Live-Musiker als unspielbar geltendem Synclavier-Album „Jazz from Hell“, 1986 (wovon tatsächlich seit Jahren aber einige Stücke in Konzertsälen erklingen) und „Revised Music for Guitar and low-budget Orchestra“ aus „Studio Tan“, 1978.
Ersteres, arrangiert von Andrew Digby, flattert einher, ohne tonale Bezüge anzusteuern. „While you were Art II“ artikuliert in Reinform einen zentralen Parameter der Zappa-Ästhetik, nämlich den „Primat des Ohres“ gegenüber strukturellen Überlegungen.
Für „Revised Music for Guitar and low-budget Orchestra“, arrangiert von Ali N. Askin, verlassen die meisten Mitglieder des Orchesters die Bühne, schließlich signalisiert schon der Titel, dass nur wenige von ihnen gebraucht werden. Als es geschrieben wurde, lagen heutige Huldigungen großer Klangkörper für den Komponisten F.Z. bestenfalls in einer erträumten Zukunft.
„It´s the groove, stupid!“ So möchte man das Problem beider Interpretationen auf den Punkt bringen.
Bei „…Art II“ werden die melodischen Zentrifugalkräfte noch von einem Puls „zusammengehalten“, jedenfalls im Synclavier-Original. Er fehlt hier ebenso wie der dezidierte Rockbeat in „…low budget“ - es groovt einfach nicht im WDR-Sendesaal. Obwohl ein Baßgitarrist gleich neben einem der Drummer sitzt - man hört ihn nicht.
Man wüsste gerne, wie Ali N. Askin, diese Performances gehört hätte.
Der Sohn türkischer Einwanderer, geboren 1962 in München, ist der wohl erfahrenste unter den Zappa-Bearbeitern. Anfänglich dessen Assistent für „Yellow Shark“, 1991-1993, hat er mehrere seiner Werke orchestriert für das Ensemble Modern in Frankfurt und das Ensemble Musikfabrik in Köln.
Seit 2006 konzentriert er sich mit den Kölnern auf Kompositionen Zappas aus den 70ern, in denen - wichtige Bedigung - „das Rock-Element domininant ist“.
Zappa frontDas qualifiziert sie schnurstracks für die Zappanale, das jährliche Zappa-Memorial in MeckPomm.
Schon ein erstes Durchhören belegt, dass das Rhythmische hier kein kritischer Parameter ist, im Gegenteil: man muss sich schon wundern, dass der Leiter der Musikfabrik, Dirk Rothbrust, obwohl Perkussionist in der Neuen Musik, tadellos auch Rockbeats beherrscht.
Und bei Zappa wimmelt es davon nur so, von komplizierten Beats bekanntlich. An deren Spitze „Black Page #1“.
„Bad Doberan & Elsewhere“, Zappaesk Eingemessene erkennen sogleich die Referenz, nämlich an das Zappa-Album „Roxy & Elsewhere“, 1974.
Die ersten drei Stücke in Bad Doberan stammen daraus. Und damals beteiligt Napoleon Murphy Brock mit, zum aktuellen Konzertzeitpunkt 74 Jahre alt.
Dass er noch über „die Stimme und die Energie von 1973“ verfüge, wie Ali N. Askin in den liner notes lobt, ist, zumindest was das Vokale betrifft, nicht ganz zustimmungsfähig.
Es fällt aber auch weniger ins Gewicht. Brock ist eine Art lebendes Testimonial, das die Weisen aus der Neuen Musik mit auf ein Rockfestival bringen; an sieben der zehn Doberan-Titel hat er zu Zappas Zeiten mitgewirkt.
In seinen Moderationen hält er sich brav an seinen alten Chef, ersetzt aber dessen Personalpronomen „I“ mit „Frank“.
Die Musikfabrik entfernt sich - anders als das WDR Sinfonieorchester - nicht sehr weit von den Originalen. In diesem Repertoire musste ja auch nichts aus elektronischen Linien auf Instrumente transformiert werden.
Die Mittel der Wahl sind klangliche Erweiterungen: „RNDZL“, „Florentine Pogen“ und „Inca Roads“ z.B. (alle aus „One Size fits all“, 1975) liegen in den Zappa-Originalen lediglich in Quintett-Besetzung vor. Hier treten allein schon fünf Steicher hinzu.
Das Ensemble Musikfabrik ist keine cover Band.
Die Klangfülle schwillt mitunter so an, dass es schwerfällt, bestimmte Details miteinander zu vergleichen. In dem rhythmischen Labyrinth von „Inca Roads“ gibt es z.B. eine Passage, wo George Duke, keyb, und Tom Fowler, bg, über einem 7/16-Takt davonrasen. Abgesehen davon, dass ein George Duke (insbesondere in seiner Arbeit bei Zappa) unerreicht bleibt, erschwert der Mix die Beantwortung der Frage: machen hier Ulrich Löffler, keyb, und Christopher Brandt, bg, das Gleiche, oder doch etwas anderes?
Stimmig in diesem Kontext ist es, keine Frage.

 erstellt: 04.12.23
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