STEFANO DI BATTISTA Trouble Shootin´ *******

01. I will love you (DiBattista), 02. Midnight Blue (Burrell), 03. The Serpent´s Charme (DiBattista), 04. Under her Spell, 05. The Jody Grind (Horace Silver), 06. Echoes of Brazil (DiBattista), 07. Alexanderplatz Blues, 08. Essaouira, 09. Weather or not, 10. This Here (Timmons), 11. Trouble Shoutin´ (DiBattista)

Stefano Di´Battista - ss, as; Fabrizio Bosso - tp, Baptiste Trotignon - org, Eric Harland - dr, Russel Malone - g, Nicola Stilo - fl, Eric Legnini - p (11)

prod 12.+13.04.2007
EMI/Blue Note 509995029112; LC 0542

Irjenswie fiel mir beim Hören, genauer: beim begeisterten Hören, dieser Produktion Stuart Nicholson ein (ist ein netter Kerl) und all die anderen, die ihm mit seiner These, der Jazz habe in Europa ein neues Zuhause gefunden ("Is jazz dead or has it moved to a new address?") an den Lippen hängen.
Nähme man sie ernst sowie die damit verbundenden, von anderen jüngst praktizierten Auswuchtungen vom Jazz als der "Musik von Migranten", könnte man diese Produktion nur als alt-backen und konformistisch, somit als "schlecht", bestenfalls als Ausweis guter Handwerker qualifizieren.
Sicher,
Stefano DiBattista, ist auch "migriert": von Rom, wo er 1969 geboren wurde, nach Paris, 1994.
Wer ihn hört, den läßt nach spätenstens einem Dutzend Tönen die Überzeugung nicht los, dass dieser Mann nicht die Musik von Hirten oder Troubaduren im Kopf hat, sondern Charlie Parker (dem er zuletzt ein Tributalbum gewidmet hat) und
Cannonball Adderley, sein stilistischer Nordpol ist der HardBop.
"Trouble Shoutin´", sein fünftes Album für Blue Note, hat rein gar nichts von Imaginärer Folklore und anderen Errungenschaften des Europäischen Jazz, es ist eine einzige Feier des HardBop.
Und trotzdem wird keiner, der es aufmerksam hört - und insbesondere die rasante Fahrt, die mit dem "Alexanderplatz Blues" einsetzt undn bis zum Ende währt - den Produktionsort verwechseln. "Trouble Shoutin´" ist in Paris entstanden, nicht in New York. Und das hört man.
Selbst wenn ein Kollege in New York den marokkanischen Badeort Essaouira kennte, käme er wohl schwerlich auf die Idee, in ein solches thematisches Geschoss auch noch das Flavor von
Duke Ellington´s "Caravan" einzuschweißen. Das gedrechselte Thema ist in drum´n´bass-Tempo mit amerikanischer Präzision auf den Punkt gespielt, dazwischen eine Rock-Phase in einem Drittel des Tempos, bevor DiBattista zu einem Solo aufspringt, das ihn in die Nähe von Alt-Shoutern wie Kenny Garrett katapultiert.
Danach ist keine Ruhe, keine Ballade nirgends! Es folgt "Weather or not", ein uptempo swing im Stile des HardBop, DiBattista wechselt dann zum Sopran und entschleunigt Bobby Timmons´ stolzen Blues "This Here" in mittelschnellen 6/4.
Und dann sind wir in der Zielgeraden! Das Titelstück, ein punktiertes
Monster-Riff in forciertem Tempo, das sich allen Anmutungen zum Trotz immer wieder schön gerade zu 16/4, also zu 4 Takten á 4/4, addiert. Auch hier, wie in "Essaouira", setzt sich DiBattista mit seinem schreienden Altsax obenauf - wem dabei die Luft nicht ausgeht, wer dort noch durchphrasiert, wer sich gegen diesen Hintergrund noch durchsetzen kann, dem gebührt großer Respekt.
Und man ahnt, was danach folgt, ja folgen muss: ein Schlagzeug-Solo von Eric Harland
gegen dasselbe hypnotische riff!
Eric Harland, der Schlagzeuger von Greg Osby, Jason Moran, Stefon Harris, Terence Blanchard, Ravi Coltrane, Kenny Garrett, Edward Simon, aber eben auch Jacky Terrasson, das ist die Quintessenz dieser "amerikanischen" Produktion in Europa.
"Trouble Shoutin´" ist eine Feier zentraler Werte des Jazz, eine erfrischende Dusche für alle jene, die die Festivals dieses Jahres, mit ihren thematischen Verrenkungen und folkloristischen Sackgassen, ratlos verlassen haben, auf der Suche nach Selbstvergewisserung.
Dass der gute alte Jazz doch noch was zu sagen habe.

erstellt 13.11.07

©Michael Rüsenberg, 2007, Alle Rechte vorbehalten