Unser Bürgermeister, transatlantisch

Dass Musiker nach einem Konzert noch einmal vors Publikum treten, um zu erläutern, warum sie soeben hier gespielt haben, kommt nicht alle Tage vor. Und, streng genommen, wäre es am 25.05. in der Luisenstraße 166 in Wuppertal-Elberfeld auch nicht nötig gewesen: ein jeder unter den 80 Zuhörern im vollbesetzten "ort" wusste, warum William Parker, b, Hamid Drake, dr, und Charles Gayle, ts, p, an diesem Tag erschienen waren (zu einem Konzert, das vor allem von der erfindungsreichen Rhythmusgruppe lebte) - wenige Tage zuvor wäre der Hausherr, Peter Kowald (1944-2002) 70 geworden; und den ganzen Mai lang wird dieser Geburtstag mit "Musik, Kunst, Film im Ort" gefeiert.
Da durften Repräsentanten seiner New Yorker Zeit nicht fehlen.
Ein wenig genant, mit viel Understatement, ob sie denn auch die richtigen Worte fänden, zeichneten sie mit Humor und großen Herzen ihr je persönliches Porträt eines Mannes, den die Wuppertaler, vor allem im Luisenviertel, sei jeher nicht nur als Bassisten, sondern auch als großen Kommunikator, beute würden man sagen Netzwerker, kannten; sie nannten ihn "unseren Bürgermeister".
Kowald 1985 NYC Und William Parker berichtet Ähnliches aus New York; wie da in den deprimierenden, ökonomisch desaströsen 80ern ein furchtloser Kollege aus Germany auch von dreifach verriegelten Türen sich nicht abstoßen lässt ("Wir trauten unseren eigenen Kindern nicht, wenn die nach Hause kamen", Parker), das Misstrauen der Szene in sich selbst zum Schmelzen bringt (befeuert auch von den Dollarnoten, die der deutsche Maler A.R. Penck aus seinen Hosen zieht) und ein Netzwerk spinnt, das auch heute noch im "Visions"-Festival fortlebt.
Hamid Drake bestritt rundweg, dass Kowald für immer gegangen sei ("Wohin auch? Für mich lebt er immer noch."). Und Charles Gayle führte in einem komplementärem Bild, einer "introduction into Deutschländ", die Furchtlosigkeit des Hausherrn auf seinen Ursprungsort zurück: seine Verwunderung darüber, dass Kowald seinen Wagen parkt, aussteigt, den Kontrabass drinnen liegen lässt - und nicht abschließt.
Peter Kowald in New York, 1985 (Foto: E.Dieter Fränzel)

erstellt: 26.05.14
©Michael Rüsenberg, 2014. Alle Rechte vorbehalten