fake Sonny

Wenn´s brenzlig wird für einen Spaßmacher, kann er sich in diesem Land auf Kurt Tucholsky (1890-1935) berufen:
"Was darf Satire?"
Tucholsky: "Alles".
In Amerika ist das offenbar anders. Und wie anders, kann man dieser Tage wieder studieren.
Das Magazin New Yorker, dessen untadeliger Ruf auch auf den einen oder anderen deutschen Leser überstrahlt, veröffentlicht dieser Tage ein spoof interview eines Autors namens Django Gold (!) mit Sonny Rollins, 84. Hier ist es. 
Ein fiktives Interview also, in dessen Wortlaut der legendäre Saxophonist nicht nur sein Instrument ("klingt fürchterlich") und seine Gattung ("Jazz ist das dümmste, was je erfunden wurde"), sondern auch sein Leben in die Tonne tritt ("Ich hasse Musik. Ich habe mein Leben vergeudet.")
Wir in Deutschland haben Grund zu der Annahme, dass Titanic diesen Job "authentischer", prickelnder und eleganter ausgeführt hätte.
Inzwischen hat "Sonny Rollins: In His Own Words" auf der Webseite des New Yorker einen kleinen Vorspann, der ihn als "ein Stück Satire" ausweist.
Denn natürlich blieb dieses eher mäßige Stück nicht ohne Kritik(er), unter denen Nicholas Payton mal wieder das Wasser nicht halten und in der Majestätsbeleidigung die üblichen Schwarz-Weiß-Muster erkennen konnte.
Marc Myers zweifelt, ob das Magazin ähnlich mit Superstars wie Jay-Z, Paul McCartney oder Taylor Swift umgesprungen wäre, denen bekanntlich Scharen von Anwälten zur Seite stehen.
sonny rollinsUnd das Opfer, Sonny Rollins selbst?
Man sieht ihn in einem Video (Bild):
er  dachte zunächst, es wäre ein Stück aus dem Magazin "Mad", dessen Abonnent er lange gewesen sei. Es sei so "lächerlich", dass dies wohl niemand ernst genommen hätte.
Aber im New Yorker; da schließt er sich den Kritikern an, die fürchten, im Internet würde so etwas als bare Münze genommen. Im übrigen, "Jazz ist während seiner ganzen Geschichte verspottet und marginalisiert worden."
Die entspannteste Kritik liest man in Richard Williams´ wie so häufig famosen Blog TheBlueMoment:
er hebt den künstlerischen Rang von Sonny Rollins hervor - und erinnert an Whitney Balliett, 2008 im Alter von 80 Jahren verstorben,  der "mit unendlicher Sensibilität und Fantasie" die richtigen Worte gefunden habe, "um den Klang und die Humanität des Jazz und derer, die ihn spielen" zu beschreiben. Im New Yorker.

erstellt: 06.08.14
©Michael Rüsenberg, 2014. Alle Rechte vorbehalten