Hamburger Geschichten der Jazzgeschichtsphilosophie (3)

Schön, dass Don Was sich nach Johannesburg begibt, um südafrikanische Musiker für Blue Note zu signen.
Makhathini spiegelSchön, dass Journalisten ihm dabei folgen.
Unschön, dass sie dabei den Tropenhelm so fest aufsitzen haben, dass ihnen rein gar nichts zu Gehör kommt.
Grotesk, was sie dann in diesem Zustand höherer Unkenntnis aus dem Rücksack des Anti-Kolonialisten ans gleissende Tageslicht befördern.
So zeige zum Beispiel der Pianist Nduduzo Makhathini - laut Spiegel (29/22) - „der wichtigste Jazzmusiker Afrikas“
(und damit glatt an Abdullah Ibrahim vorbei), „wie Entkolonialisierung klingen kann“.
Wenn das stimmt, und wenn man dafür Makhathini jüngstes Album „In the Spirit of Ntu“ heranzieht, dann muss in diesem Sinne John Coltrane völlig neu gedeutet werden: als ganz früher „Entkolonialisierer“ -
Makhathini und seine Leute klingen überwiegend wie Coltrane & Tyner vor 60 Jahren.
Egal, „Der Jazz (…) stagniert“ sowieso - „und das seit Längerem“.
Der Tropenhelm sitzt offenkundig „seit Längerem“ fest.
Und dann nimmt uns der Spiegel-Autor auf einen historischen Schleuderkurs, an dessen Ende alle Spuren verwischt sind:

„Vielleicht kommt die Erneuerung dieser Musik wirklich aus Afrika. Und ist gar keine Erneuerung. Sondern nur eine neue Ausgabe dessen, was die Trommeln seit Jahrhunderten sagen. Und was im Westen immer nur als Echo ankam“.

Mhm, stammt der Jazz demnach gar nicht aus New Orleans, sondern aus Kapstadt, Johannesburg oder Pretoria?
So ein Schlingel, dieser Jazz, er kann sich auch aus den wirrsten Lagen immer wieder … hochjazzen.

 

erstellt: 26.07.22
©Michael Rüsenberg, 2022. Alle Rechte vorbehalten