WADADA LEO SMITH Free Illuminations **

01. Ntozake (Wadada Leo Smith), 02. Muhammad Ali’s Spiritual Horizon, 03. Fire Illuminations Inside Light Particles, 04. Tony Williams, 05. Muhammad Ali and George Forman’s Rumble in Zaire Africa (Smith, Laswell, akLaff, Cline, Gibbs)

Wadada Leo Smith - tp, Nels Cline - g (1,4,5), Brandon Ross - g (1,4), Lamar Smith - g, Bill Laswell - bg, Melvin Gibbs - bg, Mauro Refosco - perc, Pheeroan aKLaff - dr, Hardedge - electronics (1,4)

rec. 2019-2021
Kabell Records – KB112

Wadada Leo Smith, 81, hat vor dem Hintergrund eines stattlichen Kataloges auch in fortgeschrittenem Alter keinen Grund, über mangelnde Resonanz Klage zu führen.

Wie immer kennt man Verkaufszahlen nicht, aber zum Beispiel eines seiner letzten Projekte für ECM, „A cosmic Rhythm with each Stroke“ (2015) mit Vijay Iyer, ist an Kritikerlob schwerlich zu überbieten.

Seine klangliche, nicht selten auch stilistische Nähe zu Miles Davis verleitet ihn immer wieder, diesen Verwandschaftsgrad auch unmittelbar zu addressieren. Die Produkte - z.B. „Yo Miles!“ (1998) oder „Yo Miles. Sky Garden“ (2003) - sind weniger, nein: gar nicht überzeugend.

Entsprechend skeptisch steuert man hier zuallererst track 4 an: „Tony Williams“, eine Widmung an, wie Leo Smith formuliert, an „einen der größtesten, begnadetsten Schlagzeuger überhaupt“.

Stimmt. Und es fielen uns manche ein, denen, ginge es darum, bestimmte Aspekte dessen unvergleichlichen Handwerks zum Ausdruck zu bringen, dies mühelos hätte übertragen werden könnte, etwa Cindy Blackman-Santana, Gary Husband oder auch Dave Smith.

Die Skepsis nimmt zu, wenn man dem line up entnimmt, dass Bill Laswell mitwirkt, nicht gerade das Modell eines Bassisten, den man sich für jedweden Kontext in memoriam Tony Williams wünschen würde. Zumal Leo Smith desweiteren in leuchtenden Farben die Funktion des legendären Drummers für das legendäre zweite Miles Davis Quintet ausmalt.

Cover Wadada„Tony Williams“ hält mit einem rubato Vorspiel 4:14 lang hinterm Berg, um welche Art Hommage es sich denn handeln könnte. Danach legen sich die langgezogenen Trompetentöne über einen schwerfälligen 1-Takt-Rock-Groove.
Und bis zum Schluss, nach einer wortwörtlich geschlagenen Viertelstunde, bleibt unklar, worin der im Titel und im Begleitpapier artikulierte Bezug zu „einem der größtesten, begnadetsten Schlagzeuger überhaupt“ denn nun bestanden haben könnte.

Kann man natürlich machen; man kann an Tony Williams denken und dann irgendwas spielen; Inspiration kann sich auch als Kontra-Modell artikulieren, ohne dass irgendjemand irgendwas merkt - bloß: warum zuvor falsche Fährten legen? Und eine Hörerwartung aufbauen, die in nichts eingelöst wird?

Wer dann nach vorne zurückspringt und die CD in der „richtigen“ Reihenfolge hört, erkennt, dass dort ein ähnlicher, man muss es deutlich sagen: langweiliger Rock-Groove regiert.

Die Trompete, sehr Mikes-like, schwebt über allem. Sie schwebt weitgehend unabhängig, sie ist nirgendwo mit den zahlreichen Rhythmusknechten verzahnt.

Track 2, „Muhammad Ali’s Spiritual Horizon“, bildet eine Ausnahme: Lamar Smith zeichnet keyboard-artig die Linien mit, und den beiden Schlagwerkern (Mauro Refosco - perc, Pheeroan aKLaff - dr) ist ein perkussives Eigenleben vergönnt.
 Das ist so dicht, das kann nur als multi-tracking entstanden sein.
Und damit ist die Produktionsweise (und möglicherweise das Hauptproblem) dieses Albums angesprochen:
 „Smith recorded the album in a series of sessions and configurations, compiling the final product through extensive post-production“, wie es im Begleittext heisst. Ein Prozess, der sich über fast vier Jahre hinzog.

Und dann folgen, was man gar nicht so genau wissen möchte, weil es die Post-Produktion umso mehr in ein schiefes Licht rückt, dann folgt in diesem Text die Nennung von Leo Smith´ „Vorläufern“, nämlich keine Geringeren als der Reggae-Produzent Lee „Scratch“ Perry (1936-2021) „and Miles Davis classics like Bitches Brew and On the Corner“.
Mit anderen Worten: Teo Macero (1925-2008).

Das hätte Wadada Leo Smith denn doch besser nicht insinuiert.

erstellt: 02.04.23
©Michael Rüsenberg, 2023. Alle Rechte vorbehalten