KOMA SAXO Post Koma ********

01. Koma (Petter Eldh, 02. Watten Koma, 03. Komma Hem, 04. Stundens Hetta, 05. Poly Amok (Eldh, Sandsjö, Kullhammar, Obara, Lillinger), 06. Portal Koma (Petter Eldh), 07. Mittenmelodin i Erzeben (Eldh, Lötjönen, Innanen), 08. Natt Koma (Petter Eldh), 09. Omkomma Hemma, 10. Eka Amok, 11. Koma Grav (Eldh, Sandsjö, Berlioz), 12. Sista Dansen (Petter Eldh), 13. Så Rinner Tiden Bort (Olle Adolphson)

Petter Eldh - b, bg, keyb, Sofia Jernberg - voc, Jonas Kullhammar - ts, fl, Otis Sandsjö - ts, alto cl, Mikko Innanen - sopranino-sax, as, Maciej Obara - as, ts, Christian Lillinger - dr

rec. 14.04.21, 2021-2023, 03/22

We Jazz Records

Koma Saxo, gestartet 2018 unter diesem CD/LP-Titel und in Autorenschaft von Petter Eldh, taten dies - wir hatten es schon vergessen und mussten nachlesen - unter dem Vorzeichen erheblicher Postproduction.
„wir hören nicht das, was dieses Quintett am 4. Dezember 2018 auf dem We Jazz-Festival in Helsinki und am Vortag in den Finnvox Studios, gleichfalls in Helsinki, aufgenommen hat. (…)
Wir hören ein durch erhebliche elektro-akustische Eingriffe - sogenanntes processing - moduliertes Produkt, das die Musiker streckenweise in dieser Form niemals auf einer Bühne darstellen können“.
Dem zweiten Album „Live“ (2019), mitgeschnitten geradezu in Party-Stimmung und geprägt vor allem durch den dritten track „Fanfarum For Komarum“, folgte das für dieses Ensemble eher konventionelle „Koma West“ (2021) mit der exzeptionellen Sängerin Sofia Jernberg, aber in ihrem avangardistischen Duktus erheblich eingeschränkt.
Jetzt, auf dem vierten, „Post Koma“, ist ihr Radius noch weiter eingeschränkt, mitunter reduziert auf den Beitrag eines Vocal-Samples.
Was auch immer der Albumtitel uns sagen will: er zeugt nicht gerade von zwingender Logik. „Post Koma“ schließt, siehe oben, in puncto Postproduction an das Debüt von 2018 an, und - es schließt mit demselben schwedischen Choral „Sä rinner tiden bort“, damals mit dem Baritonsaxophon von Mikko Innanen, jetzt mit einem Ornette Coleman-artig verzierten Thema von Otis Sandsjö, auf dem Tenor.
Um es vorwegzunehmen, „Post Koma“ ist, stellenweise, ein Hammer-Album.
cover Post KOma   1Trotz eines weiteren Saxophonisten (Maciej Obara aus Polen) ist der Holzbläser-Schwerpunkt nicht gewachsen. Im Gegenteil, es ist „eingerahmt“ von zwei Duo Balladen.
Die Eröffnung „Koma“ ist nichts weiter als ein mehrfach gespieltes 4-Takte-Pattern von Petter Eldh und Christian Lillinger, dr.
Hier macht man zum ersten Mal mit einem so „holzig“ aufgenommenen Kontrabass, wie man es noch nie zuvor gehört zu haben meint. Der Höhepunkt scheint mit „Portal Koma“ erreicht zu sein; Eldh lässt die Saiten schnarren, dass man im Instrument selbst zu hören meint.
„Portal Koma“ groovt ohne Ende und gehört neben „Komma Hem“ und „Omkomma Hemma“ zu den Stücken mit melodischer Kantilenen-Charakeristik.
Begrifflich nicht ganz sauber davon zu trennen sind die mit hymnischen Themen („Stundens Hetta“, „Poly Amok“, „Eka Amok“); mit andern Worten: es gibt wieder, wie so oft bei Petter Eldh, einiges mit ausgesprochen anmutiger Meldodik.
Manche Stücke erscheinen als nicht ganz fertig, z.B. „Koma Grav“, das einfach abbricht, andereseits über ein geradezu „laszives“ vamp läuft.

Aber wer argumentiert schon mit formalen Unschlüssigkeiten, wenn man hier das ästhetische Credo des größten aller Collagisten und Dadaisten, Frank Zappa, anwenden darf, „den Primat des Ohres“ (vor der Form).
Unser Favorit in dieser Hinsicht ist der vorletzte track, „Sista Dansen“, der letzte Tanz.
Und für viele dürfte der Abschied von der Tanzfläche schon nach dem folkloristischen 4-Takte-Intro der Flöte anstehen. Es folgt ein vamp der Extraklasse, eine Art Keyboard meets Carl Off. Nix mehr brave 4/4, aber was? Welche polyryhthmische Schichtung?
Nach knapp einer Minute der nächste vamp: Lillingers bass-drum macht, was sie will. Kurz vor Minute 2 der nächste Wechsel, nur noch einzelne Töne über keyboard-sounds, denen sämtliche Höhen ausgetrieben sind.
Das kling nach „Club“. Und da möchte man die ratlosen Gesichter derer auf dem dancefloor sehen.

 erstellt: 06.12.23
©Michael Rüsenberg, 2023. Alle Rechte vorbehalten