MATTHEW STEVENS Woodwork *******

01. Ashes, one (Matthew Stevens), 02. Star L.A., 03. Woodwork, 04. Sequel, 05. Blasted, 06. Sunday (David Bowie), 07. Gut Check (Matthew Stevens), 08. Brothers, 09. Ashes, two, 10. Uptown Dance Party, 11. Grown Ups, 12. Gently



Matthew Stevens - g, Gerald Clayton - p, ep (6,11), Vicente Archer - b, Eric Doob - dr, Paulo Stagnaro - perc

rec. 26. + 27.05.2014
Whirlwind Recordings WR 4677

Matthew Stevens ist schon eine Zeitlang unterwegs. Der in Toronto geborene Gitarrist tauchte an der Seite von Terri Lyne Carrington, Esperanza Spalding, Harvey Mason und Jacky Terrasson, auf, den wohl gewichtigsten Eindruck hinterließ er bei Christian Scott, für den er auch in der Rolle eines musical director tätig war.
Gemessen daran kommt sein Debütalbum spät, was auch durch den verzögerten Import in deutsche Läden unterstrichen wird.
Die Besetzung von „Woodwork“ ist - bis auf den Robert Glasper-Bassisten Vicente Archer - wenig prominent, ja unspektakulär zu nennen. Das passt gut zum Gestus dieser Musik: es präsentiert sich ein Ensemble, stellenweise in beeindruckender Interaktion, der Bandleader erscheint bestenfalls als primus inter pares.
Sein Ton besticht nicht durch plakative oder schnelle lines, er ist kaum verzerrt, man erkennt eine entfernte Verwandtschaft zu Jim Hall, aber auch Pat Metheny. Das muss insofern herausgestellt werden, als die Stilistik von „Woodwork“ recht umstandlos als Jazzrock beschrieben werden kann.
Aber es ist nicht der Jazzrock der großen Gitarrenhelden des Genres, schon vom Ton her nicht, die Spielhaltung kommt eher der eines Kurt Rosenwinkel nahe. Eine offene, lockere Spielhaltung, wenig funky, wenig tight, wie sie in jüngerer Zeit z.B. auch bei Nir Felder oder Gilad Hekselman zum Vorschein kommt.
cover stevens woodworkEs verwundert geradezu, dass Stevens diesmal nicht Radiohead aufgreift (wie mit Christian Scott). Der einzige Pop-Bezug besteht zu David Bowie (1947-2016) und dessen „Sunday“ - der, zumindest hört es der Rezensent so, blasseste track des Albums. (Er bekräftigt, was beim Jazzfest Berlin 2015 Dylan Howe mit seiner Truppe über alle Maßen demonstrierte: Bowie gibt dem Jazz wenig Futter, zumal wenn das Leitinstrument, hier die Gitarre, auf jegliches Pathos verzichtet.)
Bowie´s „Sunday“ markiert gleichsam die Mittelachse des Albums - und ist von Matt Stevens vermutlich ganz anders gedacht als hier
gehört.
Der blasse Eindruck stellt sich vor allem ein, weil vor- und nachher einiges los ist: „Sequel“, eine Art Latin-Metheny, enthält mit die stärksten Momente der Interaktion, selbst der Pianist Gerald Clayton kommt auf Trab, Eric Doob zeigt alles, was z.B. ein Marcus Gilmore auch hat, der track schließt mit einem Percussion-Solo gegen riff.
„Blasted“ kommt als Rock-Ballade daher, reichlich akkordisch, und kippt zwei Minuten vor Schluss - nomen es ist omen - in einen veritablen vamp. „Gut Check“, gleich nach der Bowie-Nummer, strotzt trotz einer sehr nostalgischen Echo-Gitarre rhythmmisch vor lauter Gegenwart: ein von allerlei offbeats durchschossener Blues.
Ein wunderbarer Anschluss in Triobesetzung (g-b-dr) dann durch „Brothers“. Das Studio, in dem „Woodwork produziert wurde, im US-Bundesstaat New York, besitzt eine Lowden-Gitarre, ein nicht-elektrisches Instrument, das in den 70ern von Pete Seeger (1919-2014) gespielt wurde. Stevens lässt es in der Art des Country-Blues auf sehr trockene Weise jubeln.
Es folgt ein perkussiver Pop-Groove („Ashes two“), ganz ähnlich wie zuvor „Star L.A.“. Und kurz vor Schluss, „Grown Ups“ gibt Matt Stevens der lang-gehegten Erwartung statt und lässt sich einen HipHop-Groove vorgeben. Aber auch hier findet er einen eigenen Dreh, lockert den Rhythmus auf, statt elektrisch abzurotzen, legt er die akustische Gitarre nicht aus der Hand und besticht erneut durch einen dichten Ensembleklang.

erstellt: 11.01.16
©Michael Rüsenberg, 2016. Alle Rechte vorbehalten