GERI ALLEN Grand River Crossings - Motown & Motor City Inspirations ****

01. Wanna be startin´ somethin´ (Michael Jackson), 02. Tears of a Clown (Smokey Robinson), 03. That Girl (Stevie Wonder), 04. Grand River Crossings I (Allen), 05. The smart Set (Roy Brooks), 06. Let it be (McCartney), 07. Space Odyssey (Belgrave), 08. In Appreciation (Allen), 09. Baby I need your Lovin´ (Holland, Dozier, Holland), 10. Itching my Heart, 11. Stoned Love (Frank Wilson), 12. Grand River Crossings II (Allen), 13. Inner City Blues (Marvin Gaye), 14. SAve the Children, 15. Nancy Joe (Gerald Wilson)

Geri Allen - p, Marcus Belgrave - tp (5,7,15), David McMurray - as (10)

rec. 2013 (?)
Motéma CD 233768, LC 29284

Dieses Album ist, wie der Untertitel ausweist, Detroit gewidmet, der „motor city“, der Heimat von Motown, einem der einflussreichsten Labels für amerikanischen Rhythm´n´Blues. Geri Allen ist dort 1957 geboren, seit 1982 lebt sie in New York City.
„Grand River Crossings“ ist eine Hommage an ihre Geburtsstadt, benannt nach einer ihrer Hauptverkehrsstrassen.
Eine solche Produktion nimmt einen langen Weg von dort zu uns, und irgendeiner aus der Entourage Allens fühlte sich doch allen Ernstes bemüssigt, dem Pressetext zum Album den Satz einzuschieben: „bei Entstehung des Pressetextes war die Stadt Detroit noch nicht pleite...“
Zu welcher Erkenntnis soll das führen? Hätte Madame Allen ihr Album angesichts der jüngsten Entwicklung zurückziehen sollen? Nein, der Satz ist ein komplette Luftnummer, seine Verbindlichkeit ist nicht grösser als die Formulierung „bei Entstehung des Pressetextes war es kurz nach Mitternacht“.
Vor über 20 Jahren hat schon einmal ein Jazzmusiker Motown zur Inspiration gemacht, Bobby Watson mit „Post-Motown Bop“ - ein tolles Stück Neobop, aber nicht unbedingt eine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit einer grossen Zeit der amerikanischen Populärkultur.
Geri Allens setlist liest sich überzeugender, Motown-Künstler wie Smokey Robinson und Stevie Wonder sind dabei, Holland-Dozier-Holland, ja auch Michael Jackson und vor allem Marvin Gaye. Vieles fehlt, warum die Beatles dazu gehören sollen, bleibt rätselhaft (vielleicht hat Allen sie als Teenie auf Grand River Crossings zu ersten Mal aus einem vorbeifahrenden GM gehört?)
Geri Allen war jahrelang so etwas wie die Queen Of Vamps, man höre sich diesbezüglich ihre frühen Alben an, eine Pianistin mit ganz eigenem Anschlag, eigener Phrasierung, es gibt tolle Aufnahmen von ihr mit Paul Motian, mit Jeff Tain Watts, mit Ralph Peterson, mit Tony Williams, um mal nur die Drummer-Abteilung aufzublättern.
An sich ist Allen eine so vitale Rhythmikerin, dass sie gut auf einen Schlagzeuger verzichten kann, insoweit liegt ein Fast-Solo-Album nahe.
Cover-allen-riverIn den letzten Jahren freilich hat sie kaum je an dieses Niveau anschliessen können, „Grand River Crossings“ ist ein deutlicher Beleg: Anschlag & Phrasierung haben an Präzision verloren, man erkennt sie nur, wenn man weiss, dass sie es ist. Von keinem Stück liesse sich sagen, dass es der Rezeption - der teils sehr bekannten Originale - irgendeine bemerkenswerte Lesart hinzufügte.
Das beste Stück stammt gar nicht aus der Motown-Kiste, es ist „Space Odyssey“ ihres Lehrers Marcus Belgrave, den sie über Jahrzehnte noch bei fast jedem ihrer Projekte untergebracht hat. Das ist eine schöne Geste, auch wenn Belgrave zwar über einen schönen Trompeten-Ton verfügt, aber mit seinen 76 Jahren kaum noch zu einem flüssigen Vortrag fähig ist.
David McMurray, auch so ein Fall, kommt mit seinem unsensiblen Altsaxophon dankenswerterweise nur knapp zwei Minuten zum Einsatz.
"Grand River Crossings", was hätte das werden können? Es ist jammerschade.

erstellt: 31.08.13
©Michael Rüsenberg, 2013. Alle Rechte vorbehalten