WAYNE KRANTZ Howie 61 *******
01. Howie 61 (Krantz), 02. The Bad Guys, 03. Check Yo Self (Fletcher, Melle Mel, Bobby Robinson), 04. I'm Afraid that I'm Dead (Krantz), 05. Son of a Scientist, 06. Can't Stand to Rock, 07. I'd Like to Thank My Body, 08. U Strip it, 09. BELls, 10. How the West Was Left
Wayne Krantz - g, p, voc, Vinnie Colaiuta, Keith Carlock, Anton Fig, Charlie Drayton, Nate Wood, Jeremy Stacey, Kenny Wolleson - dr, David Binney - as, Paul Stacey - slide g, John Patitucci - b, Tal Wilkenfeld, Pino Palladino, Owen Biddle, James Genus - bg, John Beasley, Henry Hey - keyb, Gabriela Anders - voc, Yasushi Miura - electr
rec. 2001 (?)
Abstract Logix ABL 34
Wer dieses Album via iTunes auf sein iPod oder smartphone lädt (was, nach sehr subjektiver Erfahrung, anzuraten ist), der sieht während des Ladevorgangs hinter jedem der zehn tracks die Genrebezeichnung „Jazz“.
Das Hören derselben erzählt etwas völlig anderes.
„Howie 61“ ist eine kaum verhüllte Hommage an Bob Dylan´s „Highway 61“. „The Bad Guys“ machte sich gut auf einem Steely Dan-Album, besser noch auf Walter Becker´s Sammlung verquerer Rock-Songs „11 Pieces of Whack“ (1994); und wer verstünde den Dan-Stil besser als ihr gelegentlicher Gitarren-Helfer, Wayne Krantz?
„U strip it“ könnte zu den Rolling Stones passen (David Binney spielt hier ein ihn kaum identifizierendes, kurzes Saxophon-Solo), „Can´t stand to Rock“ ist alltime Rock´n´Roll, und „How the West was left“ wäre - wenn wir sie richtig in Erinnerung haben - sehr schön kompatibel mit Little Feat, ein majestätischer mid tempo rocker mit slide guitar, ein toller Rock-Song.
Jawohl, das alles sind Songs. Wayne Krantz singt (womit er in den letzen Jahren begonnen hat), und er singt nicht nicht mal schlecht. Und klingt viel jünger als einer, der in diesen Tagen 56 Jahre alt wird.
Dass ein Gitarristen-Gitarrist wie Wayne Krantz eine solche Sammlung vorlegt, ist Überraschung genug - er bezeichnete als Referenz dafür ein älteres Album, „Long to be loose“ von 1973.
Das seien die Instrumental-Versionen der heutigen Stücke.
Ein Wiederhören jenes Albums offenbart erstaunliche Parallelen, weniger im Bezug auf die Song-Form als vielmehr hinsichtlich der großen Kontinuität der eingesetzten Mittel: die kleinen riffs und sub-riffs, die hook lines, die diesen Gitarristen ausmachen - vor fast 20 Jahren alle schon vorhanden.
Geradezu prophetisch die damalige Beschreibung der Instrumentalstücke: sie seien „nicht bewußt über bestimmte Leute, Dinge, Plätze oder Ideen" geschrieben. Wovon sie handelten, „verstehe ich im Moment selbst nicht, aber ich weiß es, wenn ich es sehe“.
Die Überraschung hat auch eine Schattenseite, ein Paradox geradezu: der Improvisator Krantz wendet seine Mittel, wie wir sie von dem überragenden Album „Krantz Carlock Lefebvre“ kennen, auf den einzigen Fremdtitel dieses Albums an, „Check yo self“ von Ice Cube und Grandmaster Flash. Er unternimmt einiges, um die Banalität der Vorlage auf seine Etage zu hieven, auf die Höhe seiner Interaktionskunst; seine Begleiter sind exzellent (James Genus und Keith Carlock, komischerweise fehlt Tim Lefebvre in der ganzen Produktion), Krantz versprüht licks und Tricks, lässt aber immer wieder den Bezug zum Original durchscheinen - und kommt doch nicht von dem öden „Thema“ los, das langweiligste Stück des Albums.
Es folgt eine weitere Überraschung: „I´m afraid that I´m dead“. Krantz spielt nicht Gitarre, sondern Piano, Eisler-hafte, düstere Akkorde, Sprechgesang („What makes a Zombie dream“), umgarnt von sehr passenden Elektronik-Spratzern durch Yasushi Miura.
Dann wieder ein stilistischer Sprung, Wayne Krantz mit der Rhythmusgruppe von Jeff Beck (Tal Wilkenfeld und Vinnie Colaiuta, sowie John Beasley - p). Ein polyrhythmisches Mini-Drama auf zwei dynamischen Ebenen, und auf beiden führt Meister Colaiuta die Hohe Schule des beat displacement vor. Alles, was Wayne Krantz ausmacht, dieser sehr spezielle Gitarrenstil, klanglich und strukturell, alles in viereinhalb Minuten.
„Howie 61“ ist mit einer Laufzeit von 39 Minuten knapp geraten, sein unterhaltsamstes Album, ein Einstieg für die, die ihn noch nicht kennen.
Für Zeugnisse seiner wahren Meisterschaft aber müssen sie eine andere Wahl treffen, z.B. das unübertroffene Album „Krantz Carlock Lefebvre“, 2009.
erstellt: 28.06.12
©Michael Rüsenberg, 2012. Alle Rechte vorbehalten