PAT METHENY Unity Band *****
01. New Year (Metheny), 02. Roofdogs, 03. Come and See, 04. This belongs to You, 05. Leaving Town, 06. Interval Waltz, 07. Signals (Orchestrion Sketch), 08. There and now, 09. Breakdealer
Pat Metheny - g, g-synth, orchestrion, Chris Potter - ss, ts, bcl, Ben Williams - b, Antonio Sanchez - dr
rec. 02/2012
Nonesuch 531257-2, LC 00286
Hier wird nicht zusammengeführt, was zusammengehört, hier wird nichts vereinigt (wie der Bandname suggeriert) - „Unity“ ist der Name des Dorfes in Missouri, in dem Pat Metheny aufgewachsen ist. Es beheimatet das Hauptquartier der Unity Church. In der Kirchenband, der Unity Band, waren Vater und Bruder Mike Metheny engagiert, auch Pat spielte eine Zeitlang dort - das Horn.
(Vater und Bruder waren exzellente Trompeter, ebenso der Großvater, der noch mit John Philip Souza, dem bekannten Komponisten von Militärmärschen, gespielt hatte. Der junge Pat hingegen galt als „slacker“ der Familie, als deren Faulpelz - ein Ruf, der sich auflöste, als Pat im Alter von 12 Jahren, in einer Art Rebellion gegen die Blechbläser-Tradition der Familie, die Gitarre entdeckte.
(Details aus einem in der Hauptsache empfehlenswerten Buch: Gary Marcus „Guitar Zero. The New Musician and the Science of Learning. New York, 2012)
Die damalige Unity Band war sommers für Konzerte am Sonntagabend engagiert, und da heutige gleichfalls für Konzerte im Sommer 2012 gebucht war, verfiel Metheny auf den mehr oder weniger autobiografischen Namen.
Es ist sein erstes Projekt in über 30 Jahren mit einem Tenorsaxophonisten (was Metheny selbst überrascht), es ist deshalb praktisch unmöglich, dieses Album ohne Referenz auf „80/81“ wahrzunehmen - den berühmten Vorgänger mit Michael Brecker (1949-2007) und Dewey Redman (1931-2006), mit der Rhythmusgruppe Charlie Haden (b) und Jack DeJohnette (dr).
„Unity Band“, um es vorwegzunehmen, kann trotz gewisser Qualitäten nicht mithalten, es ist kaum vorstellbar, dass es dereinst einen Status erlangen könnte wie „80/81“.
Zunächst einmal, Chris Potter ist nicht Michael Brecker, er navigiert stilistisch immer noch im Fahrwasser des letzteren - das ist, wenn wir wissen, auf welchem Niveau sich das abspielt, nicht eben eine schlechte Eigenschaft. Aber Potter verströmt denn doch mehr den Odem eines technischen Spielers, ohne die narrative Dringlichkeit eines Michael Brecker oder die Abgeklärtheit eines Dewey Redman.
Die Rhythmusgruppe mit dem „etatmäßigen“ Drummer Antonio Sanchez und dem Neuzugang Ben Williams (von Jacky Terrasson) - souverän, wie zu erwarten. Aber wer sie mit den beiden Rhythmusteams aus dem neuen Album von Ravi Coltrane vergleicht („Spirit Fiction“), wird noch viel headroom erkennen; warten wir ihre Form bei kommenden Sommer-Konzerten ab.
Konzeptionell weist „Unity Band“ keine neuen Wege, sondern ist eine Sammlung erprobter Metheny-Elemente aus den Jahrzehnten: die melodische Jazzrock-Kantilene („Roofdogs“), noch dazu auf dem Gitarren-Synthesizer vorgetragen, in "Leaving Town" ein erzählerischer Duktus ähnlich „Omaha Celebration“ (aus dem Debütalbum „Bright Size Life“), ein 3/4-Takt („Interval Waltz“, Balladen wie „This belongs to you“ und „Then and Now“, der Einsatz der akustischen Gitarre („New Year“).
Das alles läuft, man möchte fest sagen, routiniert ab, mit Klarheit und Perfektion, wie sie in dieser Musikerklasse Standard sind, aber eben doch auch weitgehend ohne Momente, die aufhorchen lassen, ja die vielleicht danach verlangen, eine Passage wieder und wieder zu hören.
Die große Ausnahme bietet das mit fast 12 Minuten längste Stück „Signals“, wo Metheny das Orchestrion einsetzt: die ersten knapp drei Minuten verlaufen frei-metrisch, für Metheny-Projekte eigentlich unüblich. Es entfaltet sich ein Rhythmus auf den Klängen von Spielfiguren, Tenorsaxophon und wiederum Gitarren-Synthesizer umspielen ein gefälliges Thema, bis das Stück in den vom Schlagzeug aufgegriffenen Spiel-Patterns ausklingt.
Das alles ist mehr schön als aufregend; es gehört wenig Phantasie dazu sich auszumalen, um wie vieles blendender die Interpretation nach einer ausgedehnten Tournee ausfiele.
erstellt: 10.06.12
©Michael Rüsenberg, 2012. Alle Rechte vorbehalten