VARIOUS Hancock Island - The Music of Herbie Hancock **
01. Cantaloupe Island (Hancock), 02. Fat Albert Rotunda, 03. Butterfly, 04. Fingerpainting, 05. Chameleon, 06. Rockit, 07. Watermelon Man, 08. Maiden Voyage,
George Colligan - p,ep; Steve Wilson - ss, as; Buster Williams - b, Lenny White - dr
rec. 29.11.2007
Chesky SACD341; LC-Nr 02516
Herbie Hancock wird nicht gerade selten gecovert, wohl wahr. Aber eine ganze CD mit der Interpretation seiner Werke, das ist selten - und zwar weniger weil der Komponist noch lebt und Einspruch erheben könnte, sondern vermutlich weil viele ahnen, dass sie sich warm anziehen müssen, wenn sie dieses "Hancock Island" vollständig betreten wollen.
Die Originale sind nämlich auch in Details einer großen Masse präsent, sie liegen in so definitiven Einspielungen vor, dass sie am besten gar nicht anrührt, wer nicht den Mut aufzubringen vermag, sie vollständig umzukrempeln, sie - wie man heute so gerne sagt - einer alternativen Lesart zu unterziehen.
Die Mannschaft, die sich hier aufs Eis begibt, sieht vom Papier her gar nicht so schlecht aus. Lenny White und Buster Williams haben "historische Verdienste": der erste bei Miles Davis und Return To Forever, letzterer hat jahrelang beim Original-Komponisten gedient, zu Zeiten von "Fat Albert Rotunda" und in den bewegten Sextett-Jahren danach. Steve Wilson hat einige name jobs gesammelt (Dave Holland, Chick Corea), und George Colligan ist von Gary Thomas, Ravi Coltrane und seinen eigenen Alben bestens in Erinnerung.
Colligan zeichnet als "musical director" auch für die Arrangements verantwortlich - viel Arbeit scheint er darin nicht investiert zu haben. Bis auf ein paar alternative voicings in seinen Harmonien ereignet sich kaum etwas, das eine tiefere Beschäftigung mit der Materie verrät.
Es beginnt lahm & schleppend - genauso, wie man sich eine möglichst unaufwendige Interpretation von "Cantaloupe Island" vorstellt. Nach track 3, "Butterfly", möchte man alle Hoffnung fahren lassen: die Rhythmusgruppe schleppt, fällt fast auseinander, Wilson bleibt nichts anderes, als sein Alt trocken und dünn dagegen zu intonieren. Da ist nichts, aber auch gar nichts mehr von der dunklen Magie des Originals, es groovt überhaupt nicht.
Die Crux der ganzen Unternehmung tritt deshalb noch deutlicher zu Ohren. Chesky ist ein "audiofiles" Label, das auf auf möglichst klare Klangbilder abonniert ist, und das heißt hier: den Schlagzeuger in allen seinen - misslichen - Aktionen über-präsent herauszustellen. Lenny White hat jüngst bei der RTF-Reunion hinlänglich gezeigt, dass Groove von ihm nicht mehr zu erwarten ist, dass er bestensfalls als Verwalter der eigenen Mängel sich durchmogelt - hier kann er sich nicht mal mehr hinter großem Lärm verstecken.
"Chameleon" klingt, als hätten sich Beamte im Ruhestand von ihren Sitzen erhoben. Ausgereichnet bei "Rock It" wachen sie ein wenig auf; Colligan war weise genug, hier nicht auf die originale Funk-Rhythmik zu setzen, sondern swingen zu lassen - der größte Arrangier-Einfall der ganzen Unternehmung!
erstellt: 03.02.09
©Michael Rüsenberg, 2009, Alle Rechte vorbehalten