TIM RIES The Rolling Stones Project ****
1. I can´t get no Satisfaction (Jagger, Richards), 2. Honky Tonk Women, 3. Slippin´ away, 4. Street Fighting Man, 5. Wild Horses, 6. Waiting on a friend, 7. Paint it black, 8. Honky Tonk Women - Keith´s Version, 9. Ruby Tuesday, 10. Gimme Shelter, 11. Belleli (Tim Ries)
Tim Ries - ss, ts; Jeff Ballard - perc, Bill Charlap, Edward Simon, Roberto DiGoia - p, Michael Davis - tb, Ken Smith - tp, flh; Larry Goldings - org, p; John Patitucci - b, bg; Clarence Penn, Brian Blade, Charlie Watts - dr, John Scofield, Bill Frisell, Ronnie Wood, Ben Monder - g, Keith Richards - g, voc; Darryl Jones, Tony Scherr - bg, voc; Mauro Refosco - perc, Norah Jones - voc, p; Stacey Shames - harp, Bernard Fowler, Sherryl Crow, Luciana Souza, Lisa Fischer - voc
rec 2002 - 2004
In-akustik/Concord CCD-260-2
"It is impossible to play Prince on the saxophone", sagt Branford Marsalis. Und ich bin geneigt, nach dieser Produktion sein Verdikt auch auf weite Teile des Repertoires der Rolling Stones auszuweiten.
Das ist paradox. Denn diese Produktion stammt von Tim Ries, der seit 1999 (immer dann, wenn es die Herren nach Abwechslung vom Verwalten ihres Vermögens dürstet) genau das macht - er gehört zur weitgehend anonymen musikalischen Handlangerschaft auf der Bühne (wie Darryl Jones) und spielt Rolling Stones, an Saxophon und keyboards!
So recht aber scheint Rolling Stones-sideman Ries dem Braten selbst nicht zu trauen; wie anders wäre zu erklären, dass er die Themen von Jagger & Richards meist vokal doppeln, mindestens aber doch würzen lässt? Der Abstand zu den Originalen verringert sich dadurch, der melodische Duktus einer "freieren" Bewegung durch das Saxophon wird eingeschränkt. Resultat ist oftmals ... schlichte Langeweile.
Aber es gibt Ausnahmen, und im Falle "Honky Tonk Women", werden - gewissermassen auf engstem Raum - zwei unterchiedliche Lesarten - vermutlich unfreiwillig - miteinander konfrontiert. Zunächst (track 3) wird das Stück im Stiles eines klassischen Orgeltrio-Blues interpretiert (mit Larry Goldings und Charlie Watts) - kein besonders origineller Handgriff, aber immerhin eine Deutung sozusagen aus der Jazz-"Historie" heraus. Später ertönt der gleiche Song dann in "Keith´s Version": Gitarren-Riff, hart am Original, soulige Frauenstimme, das Saxophon im Korsett wie ein Zirkuspferd. Im Orgeltrio gibt Ries immerhin einen David Fathead Newman, in der Richards-Version (wo dieser ein lausiges Solo spielt), koloriert Ries mehr oder weniger die Gesangsmelodie.
Die einzige überzeugende Arrangier-Leistung ergibt sich in "Street Fighting Man": einmal durch die Vorstellung einer ãbrasilianischen Strassenszene“, vor allem aber dadurch, dass Ries hier die Melodie selbst seinen Bedürfnissen zurechtschleift. Das Thema wird geradezu mit leichter Hand von Sopransax, Posaune und weiblicher Stimme (Luciana Souza) vorgetragen, und viel besser als der Bandleader weiss sich hernach Edward Simon auf dem leichten Samba-Beat zu bewegen.
Tim Ries hat ein beachtliches Personal eingeladen, und nach "Street Fighting Man" kostet er dessen Qualitäten nur noch ein einziges Mal richtig aus, in "Paint it Black". Das Thema lässt er Bill Charlap in einer minimal-artigen 7/4-Figur ankündigen, das Thema selbst dehnt er wunderbar auf den Tenor - und dann endlich sind jazzmen unter sich (Charlap, Brian Blade, Ben Monder, John Patitucci): sie arbeiten mit variabler time, rubato, heben aber improvisatorisch keineswegs ab, sondern lassen stets Referenzen an das Original durchschimmern.
Bestünde das Rolling Stones Project mehrheitlich aus Adaptionen dieser Art, es wäre ein sehr lobenswertes Unternehmen geworden. So aber lang es allenfalls dazu, "die Rolling Stones zu verjüngen", wie die FAZ meint. Whatever that means!
erstellt: 16.09.05
©Michael Rüsenberg, 2005, Nachdruck verboten