Hal Galper, 1938-2025

Hal GalperAls die Todesnachricht kam, sogleich wieder „Now hear this“ aufgelegt, das Studioalbum vom 15.02.1977 - weil Tony Williams dort mitspielt.
Die Erinnerung trügt nicht. Die Post geht ab, insbesondere in den beiden Eckstücken: „Now hear this“ zum Auftakt und „Red Eye Special“ zum Ausklang, der Herr Tony treibt das Quartett (mit Terumasa Hino, tp) vor sich her; lediglich Cecil McBee erstaunt mit eigentümlicher Intonation am Kontrabaß.
Der Bandleader segelt stilistisch in der breiten Spur von McCoy Tyner.
Und er zuckt nicht mal zusammen, als ein Schüler namens Ethan Iverson, damals 17, ihn 1991 darauf anspricht:
„Ich habe lange Zeit wie McCoy Tyner gespielt, weil dieser Stil populär war, aber dann kehrte ich zu meiner frühen Liebe zurück, zu Tommy Flanagan, Wynton Kelly und vor allem Ahmad Jamal.“
Das Zitat stammt aus der jüngsten Ausgabe von Iversons blog „Transitional Technology“, worin er die Todesnachricht verbreitet.
Der heute gefeierte Pianist & Theoretiker nahm damals an einem Galper-Workshop teil. In dieser neuen Ausgabe von TT kramt er ein paar memorable Zitate hervor, u.a. die ihm damals unverständliche Aussage von Galper:
“Ich hatte einen Auftritt mit einem ehemaligen Schüler. Er kann zwar Changes spielen, aber er spielt immer noch keinen Jazz.“ Ist Jazz nicht Improvisation? Und wenn Changes (Harmoniewechsel) vorgegeben sind und jemand darüber improvisiert - dann muss es sich doch um Jazz handeln, oder?
„Aber heute würde ich eher zu Hals Ansicht tendieren, die besagt, dass ´echter´ Jazz weniger rein improvisiert und eher einer spezifischen Sprache ist.“
Vermutlich inspiriert durch „Now hear this“ lädt George Gruntz das Hal Galper Quintet am 04.11.77 zu den Berliner Jazztagen ein. Der Mitschnitt („Live at Berlin Philharmonic“) erscheint erst 2021. Und man kommt aus dem Staunen nicht heraus, was da los ist/war (selbst eingerechnet seine Mitwirkung am Studioalbum „Rough House“ von John Scofield, aufgenommen am 27.11.1978 Zuckerfabrik, Stuttgart).
Was für ein Abflug mit Mike und Randy Brecker im Cockpit, dem Bandleader in Topform, ebenso die Rhythmusgruppe mit Wayne Dockery, b, und Bob Moses, dr.
Wenig später schüttelt Galper den McCoy Tyner-Einfluss ab. Und als viele Jahre später der Schüler Iverson den verehrten Dozenten doch wieder in dieser Spur „erwischt“, entgegnete jener, peinlich berührt, „Ich wollte nur sehen, ob ich es noch kann“.
Galper war schon vor den Gebrüdern Brecker in New York City gelandet. Er spielt auf Randys Debüt-Album „Score“ (1969), gehört aber später nicht zur Entourage der eigentlichen Brecker Brothers Band.
D.h. er war kein Kostverächter des Binären; er hatte schon den mitunter knochentrockenen Funk von Cannonball Adderley hinter sich, 1973-75, als Nachfolger von George Duke.
Gleichwohl erlebte man ihn später in ternären, sprich swingenden Formationen des Jazz, u.a. 10 Jahre bei Phil Woods.
Das Swingen (noch eine Anekdote aus der Erinnerung von Ethan Iverson) musste er sich durch eine Fehlkalkulation selbst beibringen. Er hatte zu dieser Lektion auf keinen Geringeren als Philly Joe Jones gehofft - der aber erwies sich auf der Bühne als eiskalt:
„Mit Philly Joe Jones spielte ich total zickig. Ich musste erst lernen, selbst zu swingen. Ein großer Schlagzeuger kann dir nicht helfen."
Sein bevorzugtes Format bis in die 2010-er Jahre war das Trio, meist mit Jeff Johnson, b, und John Bishop oder Steve Ellington, dr.
Galper, der von 1955-58 die Berklee School of Music in Boston besucht hatte, war selbst ein erfolgreicher Jazz-Educator, u.a. gehörte er zu den Gründern der New School of Jazz and Contemporary Music in New York.
Harold "Hal" Galper, geboren am 18. April 1938 in Salem/MA, verstarb am  18. Juli 2025 in Cochecton/NY.
Er wurde 87 Jahre alt.

erstellt: 20.07.25
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