CRAIG TABORN Junk Magic *****
1. Junk Magic (Taborn), 2. Mystero, 3. Shining through, 4. Prismatica, 5. Bodies at rest and in motion, 6. Stalagmite, 7. The golden Age
Craig Taborn - p, keyb, progr; Mat Maneri - va, Aaron Stewart - ts, David King - dr
rec ?/2003
Rough Trade/Thirsty Ear TH 5714.2; LC-Nr 12436
Thirsty Ear wird von der gemeinen Jazzkritik weltweit geschätzt, weil man dort eine neue Avantgarde zuhause wähnt, eine Kohorte derer, die auf der Baustelle von Electronica und Jazz unterwegs sind. Obgleich in Norwalk/Connectitut beheimatet, zehrt das Label noch von seinen New Yorker Anfangstagen und gehört zu den neonlicht-beflackerten. Erfahrungsgemäss begünstigt das den Funkenflug von Imagefaktoren zuungunsten nüchterner Wahrnehmung.
Zum Image-Kapital von Thirsty Ear trägt vor allem der nicht gerade un-renommierte Pianist Mathew Shipp bei, der hier als artistic director aktiv wird.
Einstweilen aber (ich weiss, andere denken anders darüber) ist diesem schönen Nährboden ein Meisterwerk noch nicht entwachsen. Und dasjenige, das dem obersten Treppchen am nächsten liegt, gehört gar nicht zum ästhetischen Kernprogramm des Labels: "Light made lighter" (2001) von Craig Taborn. Kein elektro-akustischer Ton nirgends darauf, wohl aber ein Fortzeichnen der Linie Don Pullen/Geri Allen in Richtung Rhythmen der Gegenwart. Taborn also stand am Zaun der Baustelle, die viele heute für die aufregendste halten, und man wunderte sich, warum er, der ja doch mit Detroit Techno a la Carl Craig seine praktischen Erfahrungen gesammelt hatte, diesen Bereich dann doch nicht betritt.
Das tut er nun mit "Junk Magic". Der Titel ist gut gewählt, denn neben seine üblichen Gestaltungsmittel ungerade Takte, handgespielte Loops, poly-ryhthmische riffs und FreeJazz-Flächen bringt er nun eine Schmuddel-Elektronik ein, die in der Tat nach "junk" klingt. Sogar das gute alte Melotron lässt er nicht aus ("The Golden Age").
Beste Voraussetzungen also, zumal der Mann auch nach den Jahren bei James Carter als Pianist von solistischem Biss sich empfohlen hat, man höre ihn heute nur bei Dave Douglas, Tim Berne und vor allem David Binney.
Davon will er hier - auch konzeptionell - offenbar gar nichts wissen. Kein einziges Solo dieser Preisklasse lässt sich "Junk Magic" abgewinnen, noch will es ihm gelingen, den Abfall, den junk zu vergolden. Taborn zeigt allenfalls sein Besteck, mit dem er so manches gestalten könnte - die Gestaltung selber versagt er sich.
Es ist kaum zu glauben: alles ist vorhanden für eine aufregende Fusion Electronica & Jazz, aber es mangelt an Energie, an richtigem Spielwillen. Craig Taborn hat, welche Enttäuschung, lediglich eine Klangkulisse aufgebaut.
©Michael Rüsenberg, 2004, Alle Rechte vorbehalten