VARIOUS ARTISTS Drum Nation Vol 1 (**) - (********)

1. Terry Bozzio
A Glimpse into a deeply disturbed Mind, 2. Bill Bruford´s Earthworks Beelzebub, 3.+4. Steve Smith and Zakir Hussain Mad Tea Time, Parts 1 and 2, 5. Chad Wackerman The Spell, 6. Stanton Moore Sprung Monkey, 7. Simon Phillips Manganese, 8. Josh Freese Lagerborg, 9. Rod Morgenstein Faceless Pastiche, 10. Tim Alexander and Brain Shut up and Play yer Drums, 11. Marco Minnemann Wandering Portland Main,
12. Stephen Perkins and Brooks Wackerman Pull up my Sleeve

Rough Trade/Magna Carta MAX-9065-2; LC-Nr 03090


Das Album - nomen es omen - öffnet zunächst einen Raum, den Inhaber von Pässen anderer Instrumental
nationen gar nicht erst betreten mögen. Unter dem Vorwand, Trends in Dance/Techno umzukehren und nunmehr Samples sein Live-Drumming begleiten zu lassen, gewährt Terry Bozzio - nomen est omen - "einen Blick in die Gehirnwindungen eines Verstörten". Über einem 4-Takte-loop zerdeppert er viel von dem Kredit, den er sich seit Zappa´s "Live in New York" bewahrt hat. Track 10, Tim Alexander and Brain *Shut up and Play yer Drums*, ein dezidierter Zappa-Tribut, ruckelt noch düsterer über einem ganz ähnlichen vamp, aber wenigstens doch frei von klanglichen gimmicks. Auch der Zappa-Alumnus Nr 2 in dieser Runde, Chad Wackerman, setzt auf ein schön-dreckiges riff (in 5/4), gegen das er mächtig antrommelt. Sein Quartett ist gut dabei, auch wenn es im wesentlichen die Ideen anderer exekutiert. Im Mittelteil von Wackerman´s "The Spell" taucht eine Stimme auf, die auch Simon Phillips die Hand führt und auf welche Bruford sich bezieht - freilich ohne sie klingen zulassen: nichts beflügelt Schlagzeuger offenbar mehr, als die (Gitarren)Stimme des hier abwesenden Allan Holdsworth!

Dreh- und Angelpunkt dieser Compilation ist track 2,
Bruford´s "Beelzebub". 27 Jahre, nachdem er mit Holdsworth und mit "Beelzebub" sein Debütalbum eröffnet hat ("Feels good to me", 1977), lässt er es wie einen Marschflugkörper herankommen und inmitten seiner Kollegenschaft explodieren. Während diese nämlich auch heute noch vollauf mit seiner damaligen Ästhetik beschäftigt sind, macht Bruford sie nicht nur verbal ("Vier Musiker spielen im selben Raum zur selben Zeit, fürwahr eine neue Idee!"), sondern vor allem musikalisch nass: "Beelzebub" ist mit 3:27 nicht nur das kürzeste Stück der Compilation, gegen dieses Konzentrat aus Komposition & Handwerk kommt keiner an; es ist auf Gleis 1 eines Provinzbahnhofs durchgesegelt (um im Bild des scheusslichen Covers zu bleiben), ehe man recht seine Konturen begriffen hat.

"Beelzebub", so ergibt dann ein zweites, ein drittes, ein x-tes Hören, funktioniert auch "rein akustisch", ohne Allan
Holdsworth, ohne Jeff Berlin, ohne Dave Stewart - mit Tim Garland (ss, bcl), Steve Hamilton (p) und Mark Hodgson (b). In beiden Versionen ist "Beelzebub" ein Showcase für Musiker, die Themen aus der Hüfte schiessen könnne; im Grunde handelt es sich um eine durchgehende Exposition mit Variationen, auf eine Durchführung im Sinne von "Improvisation" wird verzichtet. "Beelzebub" ist gespickt mit rhythmisch-melodischen licks; Fachleute mögen sich in seiner rhythmischen Fraktur verlieren, Laien aber werden nicht verprellt, weil das Stück mit grosser Leichtigkeit daherkommt. Schlagzeugerisch ist Bruford seit Jahrzehnten eine grosser Stilist, kompositorisch dürfte er mit diesem Kunstgriff hier einen ähnlichen Status erreicht haben.
Nicht, dass die anderen nichts zu sagen hätten...bei Steve Smith immerhin dürfen die Austauschformen mit Zakir Hussain (Tablas) nicht unerwähnt bleiben, aber sollte "Beelzebub" nicht auch woanders auftauchen, lohnt es allein schon den Kauf dieser CD.

Die Fallhöhe - vornehm: die Dynamik - zwischen Bruford und Minnemann könnte grösser nicht sein: während der Brite mit Witz & Understatement eine Leuchtrakete zündet, zündelt der Deutsche mit halbfeuchten Knallfröschen: 6 ungerade Metren, zählt er uns vor, seien in seinem Beitrag vorhanden, und die pieselige Gitarre entschuldigt er mit dem Hinweis, die schnellen Tempi überforderten ihn als Gitarristen, wo er doch - tätäää! - "eher ein virtuoser Drummer" sei

©Michael Rüsenberg, 2004, Alle Rechte vorbehalten