CAROLINE HENDERSON Keeper of the Flame *******
01. Caravan (Ellington, Mills, Tizol), 02. Keeper of the Flame (Levine, Lellis), 03. It hurts me too (Elmore James, Tampa Reid), 04. Get out of Town (Cole Porter),05. Nature Boy (Eden Ahbez), 06. Evolution (Caroline Henderson, Søren Siegumfeldt Eriksen), 07. Ring them Bells (Dylan), 08. The first time ever I saw your Face (Ewan McColl), 09. Yesterday is here (Tom Waits, Kathleen Brennan), 10. This is Love (PJ Harvey), 11. Goodbey (Gordon Jenkins), 12.For all we know (Coots, Sam Lewis)
Caroline Henderson - voc, Nicolaj Hess - p, org; Jakob Høyer - dr, perc; Flip Runesson - v, va; Anders Christensen - b, org; Peter Fuglsang - ts, Lars Vissing - tp, Mads Hyhne - tb, Mikel Hess - dr, Copenhagen Royal Chapel Choir
Sony Music 88697735072; LC-Nr 06868
Schon wieder Songs. Schon wieder eine Sängerin.
Überraschungen, Innovationen gar, sind in beiden Kategorien nur noch schwer vorstellbar - entsprechend sinken die Erwartungen.
Schon die ersten Laute freilich verlangen Hinwendung: Duke Ellingtons „Caravan“ von 1936 erscheint in arabisierten Klangfarben, mit Streicherflirren und einer vierteltönigen Viola. Nach einem Intro von 18 Sekunden die Stimme: kein Mädchen-Organ, ein festes, leicht dunkles Alt - die Sängerin kann ganz so jung nicht mehr sein.
Der Text der Plattenfirma zum Album lässt wenig dazu erkennen, allenfalls noch, dass Caroline Henderson offenbar schon einen ganzen Stapel veröffentlicht hat. Auch auf ihrer Webseite kein Hinweis auf ihr Alter. Wir verstehen, sie befindet sich offenbar in einem Lebensabschnitt, wo man mit dem Geburtsdatum nicht mehr so freizügig umgeht.
Wikipedia macht uns schlauer: Caroline Henderson ist demnach von Jahrgang 1962, geboren in Stockholm, sie lebt seit 1983 in Dänemark - und gibt Anlaß, wirklich einmal den Motiven dieser Völkerwanderung schwedischer Jazzkünstler, vor allem Sängerinnen, ins Nachbarland nachzugehen.
Das nachfolgende Titelstück läßt noch keine weitere vokale Festlegung zu, der selten benutzte Blues „It hurts me too“ dann schon eher; diese Interpretation könnte man auch bei Holly Cole finden. Obwohl, Caroline Henderson fehlt dann doch der Anflug ins Vulgäre.
Interessant immerhin das reduzierte Arrangement ihrer drei Hauptbegleiter, darunter Co-Produzent Anders Christensen, der auch dem neuen Quintett von Thomasz Stanko angehört.
In Cole Porters „Get out of Town“ schon wieder ein Anflug jenes „distanzierten“ Exotismus, den die klassische Welt aus den Komposiitonen von Charles Koechlin (1867-1950) kennt und die „Jazz“welt aus den Klavierfiguren von Martin Denny (1911-2005). Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn Nikolaj Hess niemals Martin Denny gehört hätte; auf Hess´ Webseite findet man z.B. eine Fassung von „Caravan“, die hier Pate gestanden haben könnte.
Mit „Nature Boy“ ist das Entzücken über diese Produktion kaum noch zu halten. Filip Runesson fidelt den Orientalismus aus Nat King Coles Ersteinspielung von 1948 so heraus, als hätten wir hier ein Stück Turk Pop vor uns.
In „Evolution“ und „Ring them Bells“ schlägt die Stunde eines Strippenziehers im Hintergrund, dessen Bläser-Arrangements dieses Album zum Leuchten bringen: Butch Lacy, 1947 geboren in Richmond/Virginia, in den 80ern Begleiter von Sarah Vaughan, seit 20 Jahren in Dänemark lebend.
Beide Stücke sind hinreißende Widmungen: In „Evolution“, dem einzigen Original des Albums, läßt er die Bläser in einer geradezu diebischen Verneigung vor John Barry („Goldfinger“) auftrumpfen, zudem in einer abfallenden Linie und Piano-Triolen, die an die Beatles („I want you“) erinnern. Die Henderson kann gar nicht anders, als hier an Shirley Bassey heranzurücken, auch wenn ihr deren großes Pathos fehlt.
Den Copenhagen Royal Chapel Choir stellt Lacy dann wie einen Kirchenchor hinter der Gospel-Interpretation von Dylans „Ring them Bells“ auf.
Richtig jazzig wird´s eigentlich nur im 6/8-Takt von Tom Waits´“Yesterday is here“. Butch Lacy besticht auch hier wieder, in dem er den Beat im Mittelteil durch einen warmen Bläser-Choral aufbricht und im Hintergrund eine Jahrmarktsorgel durchs Bild fliegen lässt.
Das letzte Drittel der Produktion wird von einem dunklen Gestus geführt, eindrucksvoll die Trio-Bearbeitung von Benny Goodmans berühmten Schlußstück „Goodbye“ und das elegische Funkeln der Bläser in Billie Holidays „For all we know“.
Dass Caroline Henderson, die schon so allerlei von sich gegeben hat, zumindest auch zum Jazz gehört, drängt sich hier auf. Zudem dass ihr Balladen mehr liegen als die große Deklamation.
Dass der Pop-Jazz ihres neunten Albums großes Vergnügen bereitet und immens unterhaltsam ist, verdankt sie aber vor allem ihrer Mannschaft.
erstellt: 11.01.11
©Michael Rüsenberg, 2011. Alle Rechte vorbehalten