DAFNIS PRIETO Proverb Trio ****
01. Into the Light Love (Kokayi, Lindner, Prieto), 02. You and me,03. The Magiic Danzonette,04. Extasis, 05. You got it, 06. In War, 07. Vamos a Jugar,08. Talking too much, 09. What have we all done, 10.Dirty us, 11. Mystery Man, 12. Mother Nature
Kokayi - voc, Jason Lindner - keyb, Dafnis Prieto - dr
rec ?
Dafnison Music 003
Dass eine Band, die für sich das „Unvorhersehbare“ reklamiert und dabei vorgibt, auf der Bühne auch nicht mehr als die Zuhörer zu wissen, was als nächstes kommt, die also vollständig auf Improvisation setzt, dass eine solche Band als erstes ein Studioalbum produziert, wo der wesentliche Faktor für das Gelingen eines solchen Konzeptes fehlt, nämlich die Inspiration durch die Zuhörer, das ist nicht nur töricht, sondern ein eklatanter Fehler.
Ein jeder, der die Band live erlebt hat, beispielsweise am 12. Januar 2012 im Stadtgarten Köln (oder die WDR-Aufzeichnung davon kennt), wird diese Produktion nur für einen Schatten dessen erachten.
Dabei ist das Personal ein und dasselbe: der 1974 in Havanna/Kuba geborene Dafnis Prieto, der seit 1999 in New York lebt und bei Steve Coleman, Henry Threadgil und vielen anderen ein solches Renomee erworben hat, dass er quasi pausenlos im Einsatz ist (und mit dieser Band auch trotz vielfachen Bemühens nicht zum Moers Festival gebracht werden konnte).
Dafnis Prieto gehört zu dem neuen Typus von Latinjazz-Musikern, die (Edward Simon, Guillermo Klein, Miguel Zenon wären hier ebenfalls zu nennen) sich von der eher statischen time-Auffassung ihrer Gattung lösen zugunsten eines viel flexibleren Umgangs in den Parametern Tempo und Dynamik, ohne dabei den latein-amerikanischen Hintergrund zu vergessen.
Prieto gehört überdies zu den besonders interaktiven Trommlern. In dem fast unbekannten Jason Lindner steht ihm ein Partner gegenüber, der ihm in puncto Flexibität und Geistesgegenwart keine Sekunde nachgibt.
Lindner ist wirklich ein keyboarder und nicht lediglich ein Pianist, der mal zwischendurch zu elektro-akustischen Klangerzeugern wechselt. Vom monophonen Synthie, auf dem er fette basslines in den Raum schiebt, über cheesy organ sounds, Minimal Patterns und Dub-Effekte bis zum E-Piano bringt er einen melodisch-klanglichen Apparat ins Spiel, der seinesgleichen sucht. Was dem deutschen Trio BBU vollkommen abgeht, ist hier geradezu in tropischem Übermaß vorhanden.
Mit der Revolverschnauze von Carl Walker alias Kokayi (gleichfalls ein Steve Coleman-Veteran) schiebt sich immer wieder Freestyle Rap dazwischen, interveniert, heizt an, dass es einen nicht auf dem Sitz hält.
Die Konzerte dieses Trios sind wirklich eine explosive Angelegenheit, ein fiebriger Dschungel, wo Strukturen sich poly-rhythmisch überschlagen, im Tempo variieren und nur selten nicht einen Ausgang finden.
Das alles lässt sich hier nur erahnen, insoweit reicht das Proverb Trio hier bestenfalls eine Visitenkarte ein.
erstellt: 28.11.12
©Michael Rüsenberg, 2012. Alle Rechte vorbehalten