JOSHUA REDMAN-BRAD MEHLDAU-CHRISTIAN MCBRIDE-BRIAN BLADE RoundAgain *******

01. Undertow (Joshua Redman), 02. Moe Honk (Brad Mehldau), 03. Silly little Love Song (Joshua Redman), 04. Right back round again, 05. Floppy Diss (Christian McBride), 06. Father (Brad Mehldau), 07. Your Part to play (Brian Blade)



Joshua Redman - ts, ss (5,6), Brad Mehldau - p, Christian McBride - b, Brian Blade - dr

rec. 10.-12.09.2019
Nonesuch 075597921069

Unter den Quartetten von Joshua Redman dürfe dieses das prominentest besetzt sein…
Um ein Haar hätte die Rezension mit diesem - falschen - Satz begonnen.
Zum Glück bewahrte ein Blick in die umfangreiche Discografie des Sohnes von Dewey Redman (1931-2006) vor dieser Aussage.
Demnach gebührt der Titel doch wohl eher Joshua´s zweitem Album „Wish“ (1993), eingespielt mit Pat Metheny, Charlie Haden und Billy Higgins.
„RoundAgain“ ist aber auch nicht ganz ohne, jedenfalls nicht ohne Vorläufer: mit demselben Personal ist damals, 1994, das nächste Album entstanden: „Mood Swing“.
Der große Zeitraum dazwischen, ganze 25 Jahre sind angefüllt u.a. mit anderen Redman-Quartetten - sowie dem Wunsch, in derselben Konstellation wie anno ´94 noch einmal ins Studio zu gehen.
Im September 2019 hat der Bandleader die „Lebensmitte“ erreicht. Es verbietet sich, weiterhin von einem „sich entwickelnden Talent“ zu sprechen wie vor 25 Jahren, bei der - aus heutiger Perspektive - doch eher alt-klugen Präsentation.
Der Mann gehört inzwischen zu den Etablierten, er gehört zu den Stars des Genres.
Dies auch, weil er eine offenkundige Publikumszugewandheit nicht mit Substanzverlust erkauft.
cover redman roundgainUnd obwohl er seinen Kollegen nun Material hätte vorlegen können, das für weit mehr als für eine Produktion reichte, hält er sich - anders als 1994 - zurück und gibt ihnen je für wenigstens ein Stück Raum.
Von Christian McBride stammt, was alle nach der ersten Probe als Leerstelle im Repertoire empfanden: ein Blues.
Sein „Floppy Diss“ besetzt damit den Platz, den 1994 „Headin´ Home“ einnahm.
Redman greift für dieses sowie das nachfolgende Stück zum Sopransaxophon.
„Floppy Diss“ gibt sich nicht sogleich als Blues zu erkennen, wohingegen der Charakter von „Father“ als „swingender Walzer“ sich rasch einstellt. (Redman spielt auch hier Sopransaxophon).
„Father“ stammt von Brad Mehldau, es bewegt sich - wie alle anderen Stücke des Albums auch - ein wenig abseits der Standard-Formate, im Rahmen eines Modern Mainstream, der nicht den großen konzeptionellen Wurf wagt, aber in puncto Eleganz und Rafinesse sozusagen „ewigen“ Tugenden des Jazz vortrefflich folgt.
Die vier wollen ihren Spaß, und dies nicht unter Niveau. Ihrem Niveau, das sonst nicht gar so viele erklimmen.

In dieser Hinsicht hat Mehldau sie mit dem absoluten Höhepunkt dieser Produktion erfolgreich herausgefordert:
„Diese Typen delektieren sich daran! Ich, der ich das Stück geschrieben hatte, konnte kaum mithalten“.
Mehldau untertreibt schamlos: sein „Moe Honk“ ist der Hammer!
Interpretatorisch und formal ein Parforce-Ritt sondergleichen!
Von Titel & Thema her schimmert Monk durch, was der Pianist in seinem Solo durchaus kenntlich macht.
Die Soli (zuerst ts, dann p, dann b) laufen alle über einen uptempo swing, lediglich Brian Blade (Joshua Redman anfangs auch) rekuriert auf den A-Teil, er spielt ein drum-solo gegen riff.
Und dieses riff - eine Art Schreittanz-Figur in 6/4 - ist sowas von suggestiv! Und formal unorthodox!
Es läuft über 11 Takte; in Takt 8 aber wird es verkürzt auf 5/4 und im letzten Takt verlängert auf 7/4.
(Die von Bewunderung und Staunen bewegte Zählerei hält auch nach Abfassen dieser Rezension noch an; und ist nicht ganz vollständig, weil unter dem ersten Teil von Redman´s Solo die Form nochmals wechselt…)
Das liest sich viel komplizierter als es klingt, denn vorgetragen wird es in einer Meisterschaft sondergleichen.
Natürlich weiß dieses Team, was es seinen Zuhörern damit vielleicht zumutet.
Und fängt sie sogleich wieder alle ein, mit einer Soul-Nummer, in der viele wechselweise Motown-Einflüsse oder noch viele mehr Anklänge an Zawinul´s „Mercy, Mercy, Mercy“ erkennen mögen.
Mit anderen Worten, ein großes Hörvergnügen.

erstellt: 25.06.20
©Michael Rüsenberg, 2020. Alle Rechte vorbehalten