SHANNON BARNETT Bad Lover *******
01. Bad Lover (Barnett), 02. Petulant, 03. Eibohphobie, 04. Bad Friend, 05. Bad Luck, 06. Bad Neighbour, 07. S.O.S.
Shannon Barnett - tb, Stefan Karl Schmid - ts, David Helm - b, Fabian Arends - dr
rec. 07/2020
Toy Piano Records
Wir wissen nicht, welcher Aufforderung seitens des Fotografen die Mitglieder dieses Quartetts für das Cover-Foto folgen - außer der, die Augen zu schließen.
Denken sie jeweils an einen „bad lover“? Wen würde das interessieren?
Positiv gestimmt, wie wir nun mal sind bei dieser Besetzung, nehmen wir an: dieses Gruppenbild mit Dame (jüngst ausgezeichnet mit dem Deutschen Jazzpreis) ist imaginativ mit dem Titelstück verbunden. Vielleicht gar mit dem Ornette Coleman-Einfluss darin.
Daran mussten wir nämlich denken, aber nur beim Thema. Denn Stefan Karl Schmid bedient weder das Instrument von Coleman, noch steht er irgendwie stilistisch in dessen Windschatten.
Schmid hat derzeit einen Lauf. Aber so was Ähnliches hatten wir auch schon über das Vorgänger-Album geschrieben. Sein Tenor verbindet sich vortrefflich mit der Posaune der Bandleaderin.
Die beiden spielen vieles an Begegnungen durch: absolutes unisono, leicht versetzte Einsätze, Kontraste, weiträumige Umspielungen.
Sie werden erneut begleitet von der derzeit wohl agilsten Rhythmusgruppe in Köln. Und im opener zeigen David Helm, b, und Fabian Arends, dr, schon mal große Teile ihres Besteckes.
Sie spielen sowohl time (swing) als auch nicht-time (frei metrisch), auf gut Deutsch: das ist FreeJazz eher amerikanischer Provenienz.
„Petulant“ und „Eibohphobie“ sind demgegenüber binär.
Und ersteres so etwas wie die Rock-Nummer des Albums, mit mächtig ausschwingendem Cymbal-Klang; das wuchtige Thema spart sie sich für den Schluß auf, nachdem Tenorsax, Posaune und Baß solistisch und kollektiv sich kurz ausgetobt haben.
„Eibohphobie“ wirkt demgegenüber wie eine locker dahingestreute Ballade.
Wenn es einen Zuwachs gibt in den vier Jahren seit dem ersten Album des Quartetts, dann ist es die Dichte der Interaktion, vor allem aber die Kompetenz der Bandleaderin als Komponistin.
Dass ein „bad friend“ ein so memorables Thema geschenkt bekommt, ist denn doch eine Überraschung. Eigentlich sind es sogar mehrere Themen, und Tenor und Posaune liegen hier punktum übereinander.
Davor und danch erlauben sie sich solistische Exkursionen, und was die Rhythmusgruppe darunter legt, ist einfach nur zauberhaft.
Wie auf dem Vorgängeralbum hat Shannon Barnett auch hier wieder einen Marsch untergebracht, für den Hörer das Gegenteil des Titels „bad luck“.
Den Abschluß bilden zwei Beispiele des absolut kontrollierten FreeJazz, den die Band auch vorher schon hat aufscheinen lassen.
Sie betritt damit kein Neuland, aber es bereit ein immenses Vergnügen, eine dermaßen gekonnte Performance zu erleben.
erstellt: 16.05.22
©Michael Rüsenberg, 2022. Alle Rechte vorbehalten