JONATHAN BLAKE Homeward Bound ******
01. In The Beginning Was The Drum (Jonathan Blake), 02. Homeward Bound (for Ana Grace), 03. Rivers & Parks, 04. Shakin' The Biscuits (Dezron Douglas), 05. Abiyoyo (trad), 06. On The Break (Blake), 07. LLL, 08. Steppin' Out (Joe Jackson)
Jonathan Blake - dr, Immanuel Wilkins - as, Joel Ross - vib, David Virelles - keyb, Dezron Douglas - ac-bg
rec. 2021 (?)
Blue Note CD 06024 3843190
Dieses Album, das Debüt von Jonathan Blake für Blue Note, tauchte in mehreren Bestenlisten 2021 auf. Das mag überraschen, denn wenig daran fällt irjenswie ins Gewicht.
Das mag an Blakes relativer Prominenz liegen; immerhin gehört er seit 15 Jahren zum Trio von Kenny Barron; man hat ihn mit Chris Potter, Ravi Coltrane, Maria Schneider u.a. gehört.
Vielleicht spielt auch dies eine Rolle: das Titelstück ist Ana Grace gewidmet, der Tochter von Saxophonist Jimmy Greene und der Flötistin Nelba Marquez-Greene. Sie war eines der Opfer des Amoklaufes an der Sandy Hook Elementary School in Connecticut 2012.
(Blake erinnert an sie nicht in einer tief-traurigen Ballade, sondern in einer munteren Riff-Melodik).
Stilistisch beruht das Album auf einem großen Teil-Fundament des amerikanischen Jazz, nämlich einer immer wieder variierten Architektur auf den Grundlagen von Hardbop und Funk. Diese Bausteine erlauben endlose Möglichkeiten.
Und da die Bauherren sowie ihre Vorarbeiter und Hilfskräfte ohne ein gewisses Handwerk gar nicht erst auf die Baustelle dürfen, klingt ihrer Hände Arbeit meist gut. Und unterhaltsam.
Und da sie - sie oben - enorm anschlußfähig ist an eine Vielzahl von Formen und patterns, gibt sie geradezu eine Garantie ab für etliche deja-vu-Erlebnisse.
„Shakin' The Biscuits“ beispielsweise, geschrieben vom Bassisten Dezron Douglas (der durchgängig eine „akustische“ Baßgitarre bedient) erinnert an die scharfen Akzente der Soul-Hymne „Compared to what“ von Gene McDaniels (1935-2011), erstveröffentlicht von Roberta Flack („First Take“, 1969).
„Rivers & Parks“ (nein keine Landschaftsarchitektur, sondern vom Titel her eine eigenwillige Widmung an Sam Rivers (1923-2011) und Aaron Parks, geb. 1983) ist ein midtempo-swing im Stile von Herbie Hancocks 60er Jahre Blue Note-Alben.
Und „On the break“ ein ternärer Schieber im Stile von Robert Glasper.
Das Stück mit dem größten Wiedererkennungswert ist zweifellos Joe Jacksons „Steppin´ out“, ein Megahit von 1982; „diese Melodie spielt sich wie von selbst“, sagt Jonathan Blake.
Und hier kommt unsere schöne deja vu-These an ihre Grenzen. Die Popularität der Vorlage ist offenbar eine Altersfrage: außer dem Bandleader und seinem Bassisten kannten die anderen sie gar nicht.
Also bauen sie (und hier sprechen wir von David Virelles, Immanuel Wilkins und Joel Ross), nachdem sie das Pop-Thema hinter sich gelassen haben, eine modale Zwischenetage a la Coltrane, in der vor allem Wilkins wieder absolut brilliert.
Zum Schluß montieren sie Außenfenster aus Teilen des Themas und rahmen sie in einer uralten Technik, mit einem drum-solo gegen riff, hier in der unwiderstehlich dynamischen Art eines Ralph Peterson.
Sieht gut aus, bzw. klingt gut - alles schon mal dagewesen.
Ebenso, dass ein Schlagzeuger meint, sich zunächst einmal als Schlagzeuger vorstellen zu müssen („In The Beginning Was The Drum“) - auch wenn in diesen 59 Sekunden nun wirklich nüscht passiert, was den Einsatz an diesem Instrument gegenüber Millionen von anderen Einsätzen herausheben würde.
Das „regelrechte Modern-Jazz-Feuerwerk“, das sein Label hier als Etikett herausgibt, es muss aus einer anderen Produktion stammen.
erstellt: 22.01.22
©Michael Rüsenberg, 2022. Alle Rechte vorbehalten