KIT DOWNES Light from old Stars *******
01. Wander and Collossus (Kit Downes), 02. Bleydays, 03. Outlawed, 04. What´s the Rumpus, 05. Two ones, 06. Falling Dancing, 07. Owls, 08. The Mad Wren, 09.Jan Johanson
Kit Downes - p, org (3,5,8), Calum Gourley - b, James Maddren - dr, James Allsopp - ts, cl, bcl, Lucy Railton - vc
rec. 2012 (?)
Basho Records 105172019, LC 19940
Unter den vielen positiven Stimmen, die dieser junge Mann aus Norwich/UK auf seiner Webseite zitiert, fällt eine aus dem Rahmen, weil sie über das Ziel hinausschießt: für das Hamburger Abendblatt ist Kit Downes der „eindrucksvollste Jazzpianist aus England seit John Taylor.“
Gwilym Simcock scheint in dieser Redaktionsstube noch nicht angekommen zu sein; viel Arbeit also noch für die neue Kultursenatorin Barbara Kisseler, die allein schon durch den Echo Jazz „Hamburg auf der Landkarte des Jazz positioniert“ meint.
Gemessen an Simcock zieht Downes engere Kreise, und die haben immer noch Umfang genüg, ein großes Talent anzuzeigen. Hier stützt er das Konzept des - hervorragenden - zweiten Albums seines Trios („The Quiet Tiger“), indem er mit den Gästen von dort hier nun ein festes Quintett vorstellt (James Allsopp ist nach wie vor dabei, Adrien Dennefeld wurde gegen Lucy Railton ausgetauscht).
Eine solche Quintett-Konstellation mit Cello statt Trompete oder Posaune oder zweitem Saxophon ist pikant, sie erlaubt Kit Downes eine Entfaltung seiner Qualitäten als narrator (Erzähler), wie es eine der englischen Pressestimmen formuliert.
Das Album beginnt mit Minimal-Figuren, die aus der Tiefe des Raumes erwächst und von allen drei Melodiestimmen in ein kontrapunktisches Thema übergehen, das Thema könnte von Carla Bley stammen. Downes führt mit Jazzakkorden in eine Passage seines Trios.
Und hier erleben wir den ersten Auftritt des großen James Maddren (den Downes sich mit Simcock teilt). Die beiden Toningenieure der Aufnahme wissen um seine Arbeit am ride cymbal (Volker Kriegel, 1943-2003, würde ihn zuvorderst in seine Galerie der „Feinmechaniker“ stellen).
Track 2, „Bleydays“, startet geradezu exponentiell mit dieser Technik. Das Thema, nomen es omen, ist a la Paul Bley, könnte in seine Zeit bei Ornette Coleman passen. Es verflüchtigt sich in eine frei-metrische Passage, in der Maddren einfach nur brilliert. Und dann tritt James Allsopp am Tenor hinzu! Die beiden brennen, brennen, brennen in einer Duo-Passage.
Zum Schluss wird das Thema noch einmal rubato und gestreckt wiederholt, eine Technik, die Downes schon bei „Wander and Collossus“ angewandt hat.
Szenenwechsel. „Outlawed“, ein leichter Shuffle mit einem geradezu süffigen riff, gerade noch soviel Blues, um als Hommage an Skip James, Blind Willie McTell und Howlin´ Wolf durchzugehen (vor denen Kit Downes sich immer wieder verneigt).
„What´s Rumpus“ zeigt das Ensemble wieder in all seiner Vitalität des broken swing, ein bisschen konventionneller rhythmisch, dafür komplex-kontrapunktisch im Thema einer Hommage an David Lynch („Owls“).
„The Mad Wren“ mit seinen Dissonanzen legt die Verspieltheit eines Wayne Horvitz nahe, insbesondere mit seinem blues-haften Schluss (muss aber vom Komponisten gar nicht so intendiert sein; unsereins hat den Organisten Downes immer auch in der Verlängerung der Canterbury Scene gehört - die Downes gar nicht kennt).
„Jan Johansson“ soll eine Referenz an den gleichnamigen schwedischen Jazzpianisten (1931-1968) sein; das düstere Thema mit tiefen Liegeklängen im Bass legt in der Tat eine „schwedische“ Assoziation nahe. Das Thema schwebt geradezu über einem deutlich kontrastierenden 3/4-Groove-Beat a la „do the locomotion“ vom ewig einfallsreichen James Maddren.
erstellt: 04.06.13
©Michael Rüsenberg, 2013. Alle Rechte vorbehalten