CASSANDRA WILSON Another Country ***
01. Red Guitar (Cassandra Wilson), 02. No More Blues (Wilson, Sotti), 03. O Sole Mio (trad), 04. Deep Blue (Sotti), 05. Almost twelve (Wilson, Sotti), 06. Passion, 07. When will I see you again, 08. Another Country, 09. Letting you go (Sotti), 10. Aolomuroro (Wilson, Sotti), 11. O Sole Mio Funk
Cassandra Wilson - voc, Fabrizio Sotti - g, Nicola Sorato - bg, Mino Cinelu, Lekan Babalola - perc, Julien Labro - acc, New Orleans Center for Creative Arts Chamber Choir (10)
rec. 2011 (?)
Membran 233573
Die Frühjahresmüdigkeit, der sich kaum jemand entziehen kann, sie scheint im Falle einer der wirklich großen Jazz-Sängerinnen medizinisch den grünen Bereich verlassen zu haben, bei Cassandra Wilson überspannt sie nun schon mehrere Jahreszeiten.
Die Lähmung der Antriebskräfte ist gegenüber „Silver Pony“ (2010) noch weiter fortgeschritten, und das obwohl sie diesmal fast vollständig das vertraute Aufnahme-Setting ausgewechselt hat. Nur ein Teil ist noch in New Orleans entstanden, für die meisten Stücke hat sich sich wortwörtlich in „Another Country“ begeben, nach Italien, nach Florenz.
Sie hat dazu einen landeskundigen Gitarristen an der Seite, Fabrizio Sotti, der für sie bereits 2002 gearbeitet hat („Glamoured“). Cassandra Wilson in Italien - wow, das beflügelt die Fantasien, darunter kann man sich diverse clashes of cultures erträumen - nichts davon freilich ist hier zu vernehmen, außer zwei Fassungen von „O Sole Mio“ (wovon nur die Funk-Version zählt, wo auch der Bassist endlich aus den Hufen kommt), haben weder die Stadt noch das Land unserer musikalischen Träume hier Spuren hinterlassen.
„Another Country“ hätte man auch in Bochum produzieren können, es schleppt sich dahin; der Akkordeonspieler Julien Labro hat offenbar noch nie etwas von dem Esprit seiner ebenfalls dieses Instrument bedienenden Landsleute gehört, die Talsohle ist ausgerechnet mit „Passion“ erreicht, das dramaturgisch so wenig seinem Titel gleichkommt, dass man gleich weiterskippen möchte. In „Letting you go“ äußert sich Wilson gar nicht und überlässt - wie schon in „Silver Pony“ zweimal - der Studiomannschaft das Feld.
Das Problem dieser Sängerin bleibt ihre Abhängigkeit von starken Produzenten, die ihr die Richtung weisen, in welche sie ihre beachtlichen Künste ausrichten soll. Die Glücksmomente, wo beides zusammenkam, nennen wir „Blue Light till Dawn“ oder „New Moon Daugther“, vielleicht auch noch „Travelling Miles“, sie liegen gut ein Dutzend, ja bald zwanzig Jahre zurück.
Noch eine letzte Fantasie: Cassandra Wilson und Stefano Bollani - wir sehen beinahe den Funkenflug!
erstellt: 27.07.12
©Michael Rüsenberg, 2012. Alle Rechte vorbehalten