KIT DOWNES TRIO Quiet Tiger ********

01. Boreal (Downes), 02. Tambourine, 03. With a view, 04. Frizzi Pazzi, 05. Attached, 06. In Brixen, 07. Wooden Birds, 08. Fonias, 09. The Wizards, 10. Skip James, 11. Quiet Tiger

Kit Downes - p, Calum Gourley - b, James Maddren - dr, James Allsopp - ts, bcl, Adrien Dennefeld - vc

Basho Records SRCD 34-2; LC 19940

Kaum hat sich mit Gwilym Simcock, 30, ein großer Star des britischen Jazz-Pianos europaweit etabliert, steht bereits ein nächstes Talent in den Startlöchern: Kit Downes, 25 Jahre alt.
Der Altersabstand von 5 Jahren markiert insoweit auch einen „Generationen“-Abstand, als Downes Simcock an der Royal Academy of Music in London zumindest kurz noch als Klavierlehrer erlebt hat.
Beide bedienen sich ein und desselben - hervorragenden - Schlagzeugers, James Maddren. Überdies hat Downes im eleganten Sam Crockatt Quartet den Platz von Simcock eingenommen.
Damit hat´s aber auch eine Ende mit den Verwandtschaften, die Unterschiede fallen deutlicher ins Gewicht. Während Simcocks Vielseitigkeit leicht über die Gattung hinausstrebt, bis in die Royal Albert Hall, zu einem Orchesterwerk im Auftrage der Proms, entfaltet Kit Downes seine Aktivitäten innerhalb der Grenzen des Jazz.
Wer diese Wortwahl, die in der heutigen Jazzpublizistik geradezu neurotisch besetzt ist, mit „Enge“ assoziiert, der möge sich das große Feld vor Ohren führen, das mit Früchten wie Troyka, Stan Sulzman´s Neon Quartet, The Golden Age Of Steam, diesem Trio sowie etlichen mehr üppig bestellt ist. Alles Handarbeit eines jungen Mannes aus Norwich, der heute in Brixton, Süd-London, lebt, mit einer Bassistin aus Südtirol.
downes-coverEs ist diese Vielfalt, die zählt, weniger die Anschlagskultur (die ist bei einem Ausnahmetalent wie Gwilym Simcock größer), und in diesem Sinne ist diesem Trio gegenüber „Golden“ (2009) ein großer Wurf gelungen. Das mag auch daran liegen, dass das Trio fast durchgängig die Bordmittel erweitert und geschickt zwei weitere Stimmen integriert: die von James Allsopp („The Golden Age Of Steam“) und Adrien Dennefeld.
Das Album startet ohne Schlagzeug mit einem verhaltenen ostinato-Gang über wechselsweise 6/4 und 4/4 und eröffnet mit Orgelpunkten von Cello und gestrichenem Kontrabass eine rockige Hommage an Keith Jarrett´s US-Quartett der 70er Jahre („Tambourine“).
„With a View“ ist erneut amerikanischer Anmutung, eine Kantilene, wie sie von Bill Frisell stammen könnte. Eine dezidierte Widmung an Frisell erklingt später mit track 10, betitelt nach dem Bluesmann Skip James.
„Frizzi Pazzi“, so lesen wir, sei ein Brausegetränk aus Südtirol - man könnte es jazz-stilistisch für eine „Übung in Monk“ halten, das Trio agiert hinter einem wunderbar „eckigen“ Thema, bis hin zur Auflösung des Metrums. Das folkige „Brixen“, wiederum ein reines Trio-Stück, enthält einen weiteren Verweis auf Südtirol, diesmal auf die gleichnamige Stadt am Brennerpass.
Erneut Orgelpunkte, gefolgt von komplexer Rhythmik in „Attached“ und eine Art Freejazz-Ballade in „Wooden Birds“.
Noch ein wenig mehr Vielfalt? Downes´ linke Hand in der 6/4-Ballade „Fonia“ erinnert in der Tat an Brad Mehldau (obwohl unser guter Freund Sebastian Scottney zurecht mahnt, Downes werde „viel zu früh“ mit Mehldau verglichen).
„The Wizard“, gleich danach, fände man niemals bei Brad Mehldau:
erneut ein Ausflug in den FreeJazz mit einem herrlichen Duo aus Tenorsaxophon und Schlagzeug. Der Rest des Quintetts setzt erst bei 1:48 mit einem wunderbaren, hymnischen Thema ein.
Mit dem Titelstück, am Schluß, kehrt „Quiet Tiger“ wieder an seinen Anfang zurück, zu jenem ostinato aus einer Abfolge von je 6 Takten 6/4- und 4/4, das man nun dank des Titels als lautmalerische Umschreiben eines schreitenden Tigers verstehen gelernt hat.
Im Gegensatz zum Auftaktstück ist jetzt aber auch das Schlagzeug mit dabei, und der Bandleader lässt es mit einer kleinen Solo-Kadenz ausklingen.
So schließt sich der Zirkel, wir verlassen einen phantasievoll gestalteten Parcours ... ohne je „Grenzen überschritten“ zu haben.

erstellt: 18.02.11
©Michael Rüsenberg, 2011. Alle Rechte vorbehalten