FLORATONE Floratone **
01. Floratone (Chamberlain, Frisell, Martine, Townsend), 02. The Wanderer, 03. Mississippi Rising, 04. The Passenger, 05. Swamped, 06. Monsoon, 07. Louisiana Lowboat, 08. The Future, 09. Take a Look (Chamberlain, Frisell, Martine, Townsend, Krauss), 10. Frontiers, 11. Threadbare
Bill Frisell - g, loops; Matt Chamberlain - dr, perc, loops; Viktor Krauss - b, bg; Ron Miles - cornet (1-3, 7, 8), Eyvind Kang - v, va (1-3, 7, 8), Tucker Martine, Lee Townsend - prod
rec ?/2007
EMI/Blue Note 0094639387922; LC-Nr 0110
Produzenten haben (auch) im Jazz große gestalterische Kraft entfaltet. Man denke nur an Teo Macero, der den Bandsalat aus manchen Miles Davis-Aufnahmen überhaupt erst zu dem zusammengeflochten hat, was wir hernach als "historische" Produkte feiern.
Niemals aber hat sich Maceros überragende Bedeutung in composer credits niedergeschlagen: er ist nirgendwo als Mit-Komponist genannt.
Tucker Martine und Lee Townsend dürfte diese Praxis bekannt sein, sie sind lange genug an den Pulten unterwegs. Martine als Toningenieur - aber auch Schlagzeuger und Perkussionist - für Wayne Horvitz, Robin Holcomb und Hugh Hopper, Townsend als langjähriger Produzent, u.a. für Bill Frisell.
Wenn sie mit dieser Praxis nun brechen und sich als Mit-Komponisten eintragen lassen, muß ihr Spielraum bei dieser Produktion gewaltig sein, ansonsten gäbe dieser Schritt keinen Sinn. Im Pressetext zur CD geben sie sich denn auch der Bedeutungshuberei hin:
"Zunächst bestand unsere Aufgabe darin, die Blitze in Flaschen zu fangen, so dass Bill und Matt auch frei würden spielen können. Wir haben ein paar sehr extreme Editing-Geschichten gemacht, vieles ausgeschnitten und wieder zusammengeklebt. Wir haben die stärksten Parts ausgewählt, sie wie Kompositionen zusammengefügt und daraus eine CD gemacht, die wir dann Bill und Matt geschickt haben."
Ach ja, wir verstehen, gemessen daran muß Teo Macero ein Waisenknabe gewesen sein.
Was wir aber hören, sind Stücke im immer gleichen Tempo, sie schleppen sich in nur mäßig wandelnden Grooves dahin, langsame Shuffles, auch mal 6/4, ein New Orleans Backbeat, hier und da eine snare drum, die sich in den Hintergrund dubt.
Darüber ein melodischer Duktus, der Anfängerfantasien nicht übersteigt, die ewig gleichen Banalphrasen, mit denen uns schon die Erik Truffaszs und Nils-Petter Molvaers Lebenszeit geraubt haben.
Wie vollgedröhnt muß unser guter Bill Frisell gewesen sein, dass er sich als "hochzufrieden mit diesem Ergebnis" zitieren lässt, um noch draufzusatteln: "Floratone ist wahrhaftig ein Album, bei dem demokratische Entscheidungen an vorderster Stelle standen."
Das wirkt so glaubwürdig wie einst die Lochkartenguckerei in amerikanischen Wahlkabinen bei der Erstwahl von George W. Bush.
Das sei, urteilt John Walters im Guardian, "unprätentiöse Musik" und zaubert eine schillernde Wortgirlande: "...vielleicht das akzeptable Gesicht des Smooth Jazz."
Gut gebrüllt, Löwe, aber für solche gesichts-chirurgischen Eingriffe brauchen wir eigentlich nicht die Anwesenheit des echten Bill Frisell - dazu wäre einer der zahlreichen Frisell-isten vollkommen ausreichend.
erstellt: 24.08.07
©Michael Rüsenberg, 2007, Alle Rechte vorbehalten