KLAUS HEIDENREICH QUARTET Spaces ******
01. Spaces (Klaus Heidenreich), 02. Tribute, 03. In Between, 04. Two Ladies, 05. Midnight Enlightenment, 06. Eat or be Lunch, 07. Blues for M
Klaus Heidenreich - tb, Sebastian Sternal - p, Robert Landfermann - b, Jonas Burgwinkel - dr
rec. 3/2017
Klaeng Records 037
Wer auf die Besetzung blickt, erkennt wen?
Die Rhythmusgruppe aus dem Pablo Held Trio.
Und dazu den gleichfalls in Köln lebenden Pianisten Sebastian Sternal, er hat eine geteilte Professur in Mainz und Köln.
Damit wir das Thema abhaken können: Burgwinkel hat eine Professur für Jazz-Schlagzeug in Köln, Landfermann hat eine für Kontrabass jüngst in Mannheim übernommen.
Und falls bei der Gelegenheit das alte Ressentiment des „Professoren-Jazz“ aus der Kiste steigen sollte: diese drei stellen in ihrer Generation die lebhaftesten Beweise gegen die Unterstellung, dass ein Professorentitel mit geringer Präsenz auf den Bühnen einhergeht. Nur der Nicht-Akademiker Christian Lillinger dürfte häufiger live zu erleben sein.
Klaus Heidenreich hat keine Professur, er gehört seit 2008 zur NDR Big Band.
Seit dieser Zeit kennen sich die vier, seit dem Ende ihrer Studienzeit an der Musikhochschule Köln, seit dieser Zeit spielen sie zusammen, „Spaces“ ist ihr viertes Album.
Heidenreich pflegt einen dunklen Ton; stünde nicht „tb“ auf dem Cover, man würde schwören, eine Bass-Posaune zu hören. Der Gefahr der Sprödigkeit entgeht er, indem er, wo immer es geht, das Fenster für Feinheiten aller Art öffnet.
Das spielt nicht nur der Rhythmusgruppe, sondern dem Pianisten wortwörtlich in die Hände. Sebstian Sternal gibt hier eine Meister-Lektion, nicht nur am Flügel, sondern auch am E-Piano (man höre nur seine Parts in dem drum´n´bass-infizierten Jazzrock von „Eat or be Lunch“).
Apropos Jazzrock, in diesem Stile geht es los. Obwohl auch hier ein ostinato regiert, wechselt es doch die Formen, also die Grooves. Jonas Burgwinkel hat man noch nie Tony Williams so nahe gehört. Und doch sind das bestenfalls Spurenelemente.
Als Sternal mit einem vamp das Heft an sich zu reißen scheint, steht das Quartett in Flammen. Beeindruckend, dass bei allen Wandlungen der Kontakt zum Thema nie verloren geht.
Obgleich dieses Ensemble schon klangfarblich nicht dem legendären zweiten Miles Davis Quintet gleicht, meint man in „Tribute“ doch strukturell eine Verwandtschaft zu erkennen.
Es geht ein wenig lahm rubato los, aber sobald das erste Baß-ostinato etabliert (und wieder verlassen) ist, häutet sich das Stück in einem fort. Ein großer Moment ergibt sich, als Sternal nun wirklich die Führung übernimmt und die Rhythmusgruppe quer durchs Gelände folgt.
Man meint hier etwas von dem Wagemut wieder zu finden, mit dem einst Herbie Hancock in jenem Quintett Stücke kurzfristig „gedreht“ hat.
Soviel Aufregung folgen zwei Balladen, und selbst „Midnight Enlightenment“ scheint davon noch infiziert, bevor es eine Brücke aus tiefen arco-Tönen vom Baß in einen slow shuffle trägt.
Der Blues, der hier in der Tonalität von Sternal´s E-Piano sich ankündigt, er wird im Abschluß „Blues for M“ auch der Form nach erfüllt.
Am spannendsten hier, wo es am konventionellesten ist, über einem walking bass.
It´s Sternal time again und - ein Baß-Solo in bester Ron Carter-Manier.
erstellt: 23.01.20
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