FOSTERCHILD Dear Earthling ********
01. Turqoise (Anderskov), 02. Donkey Sequel (Helm), 03. Opal (Anderskov), 04. Charade (Arends), 05. Agate (Anderskov), 06. Two is Company, 07. Gone/Gold (Arends), 08. Is this the End? (Gille), 09. Traumfänger , 10. No 12 (Arends)
Sebastian Gille - ts, Kasper Tranberg - tp, Jacob Anderskov - p, Fabian Arends - dr, David Helm - b
rec. 24.-26.11.18
ILK 295 CD
Zweimal Fosterchild in einem Jahr.
Zweimal die Achse Köln-Kopenhagen.
Wer weniger in „Bands“ denkt, sondern in „Projekten“, kann sich rasch einen Reim darauf machen.
Trotz personeller Schnittmengen unterscheiden sich „Fosterchild“ und „Dear Earthling“ nämlich konzeptionell.
Die erste CD, aufgenommen vom 7. bis 10. Juni 2018 im selben Studio wie jetzt der Nachfolger „Dear Earthling“ wenige Monate später, firmiert unter David Helm und Fabian Arends, nach Landfermann/Burgwinkel die zweiten Kölner Rhythmusgruppe von Rang.
Auch die beiden Bläser Sebastian Gille, ts, und Kasper Tranberg, tp, gehören beiden Projekten an.
Dann aber geht es personell und konzeptionell auseinander: statt mehrerer Bläser sowie zweier Keyboarder konzentriert sich das Projekt nun, im November 2018, auf einen Pianisten.
Es konzentriert sich auf Jacob Anderskov, 44, aus Kopenhagen.
Mit diesem personellen Wechsel geht auch ein Wechsel der Temperatur einher.
Rubato geführte Grooves dominieren, im Hintergrund mitunter schwer zu zählende Bass-ostinati, hymnische, lang gezogene Themen, die Trompete darin nicht selten gesetzt wie eine Posaune.
Es herrscht eine große Ruhe, der Gestus ist deutlich „poetischer“ (in Ermangelung eines präziseren Begriffes).
Das ist natürlich eine große Stunde für den neuen Tenor-Star des deutschen Jazz, für Sebastian Gille. Man glaubt sein ungemein nuanciertes Spiel zu kennen, aber so nahezu flötenhaft wie in „No. 12“ hat man ihn noch nicht gehört.
Im Grunde müsste das Stück den Titel mit dem Vorgänger tauschen. Denn mit der Weltverlorenheit eines Traumfängers schließt das Album (mit „No. 12“), während dieses Stück den tatsächlich so betitelten „Traumfänger“ wenigstens assoziativ ein wenig in die Richtung rückte, aus der das Stück zart herüberklingt: als ein sehr abstrakter „Blues“.
Wer ein Pendant, eine ästhetische Verwandtschaft zu diesem Zauber sucht (der, mit anderem Cover, perfekt zu ECM passen würde), den führt Jacob Anderskov mit dem opener auf die Spur.
„Turquoise“ (auch dies ein sehr adäquater Titel) erinnert an die Poetik von Brian Blade´s Fellowship.
Dass dort statt einer Trompete eine Baßklarinette zum Einsatz kommt, markiert einen Unterschied; mehr aber noch, dass man das deutsch-dänische Quintett hier nur unter Strafe eine „Nicht-Virtuosen-Versammlung“ nennen darf.
Das Gegenteil ist der Fall!
erstellt: 17.12.19
©Michael Rüsenberg, 2019. Alle Rechte vorbehalten