BRANDFORD MARSALIS QUARTET The Secret between the Shadow and the Soul *******
01. Dance of the evil Toys (Eric Revis), 02. Conversation among the Ruins (Calderazzo), 03. Snake Hip Waltz (Andrew Hill), 04. Diana (Calderazzo), 05. Nilaste (Revis), 06. Life filtering from the Water Flowers (Branford Marsalis), 07. The Windup (Jarrett)
Branford Marsalis - ss, ts, Joey Calderazzo - p, Eric Revis - b, Justin Faulkner - dr
rec. 28.-30.05.2018
Sony/Okeh 19075914032
Dieses Quartett, man glaubt es kaum, steht in seinem 33. Jahr.
Aus der Ursprungsbesetzung ist nur noch der Bandleader dabei.
Eric Revis trat 1997 hinzu, Joey Calderazzo kam 1998, und auch der letzte Neuzugang (Justin Faulkner) liegt schon wieder 10 Jahre zurück.
In letzterem Spiel, aber auch in der Art, wie es tontechnisch behandelt wird, klingt noch der Vorgänger nach: Jeff „Tain“ Watts.
Wie Faulkner im opener „Dance of the evil Toys“ die marsch-artigen Achtel im Thema „kommentiert“ und später unter dem Tenorsolo von Marsalis die Schwebe zwischen binär (rockig) und ternär (swing) hält, mit einer Kette hyperaktiver Akzente, das ist schon wieder & immer noch sehr „tainish“.
Und ein schönes Beispiel für konzeptionelle Kontinuität. Ein solches Rhythmusmodell, das Bögen vom solo-break bis zum uptempo Höhenflug beschreibt, findet sich in dieser Art nirgends sonst.
„The Secret between the Shadow and the Soul“ ist eingerahmt davon.
Anstelle von „Dance of the evil Toys“ hätte diese Produktion nämlich auch mit dessen alter ego beginnen können, es wäre gleichsam mit der Tür ins Haus gefallen: „The Windup“ ist nicht nur vom Titel her der Schluß- und Höhepunkt dieses Albums, es ist schlichtweg die Turboversion des alten Schlachtrosses von Keith Jarrett aus „Belonging“, dem Album mit seinem europäischen Quartett (1974).
Keith Jarrett wird heutzutage selten gecovert; vielleicht weil auch viele, die für diesen Job in Frage kämen, dessen Werk am ehesten mit dessen Improvisationspredigten auf dem Piano assoziieren.
Keith Jarrett, der Komponist, scheint darunter begraben zu sein.
Zufall oder nicht, „The Windup“ erscheint in diesem Frühjahr gleich dreimal: in zwei verschiedenen Versionen auf Julian Lages jüngstem Album „Love hurts“ und jetzt bei Branford Marsalis.
Abgesehen davon, dass er die hypnotische rhythmische Struktur in einem Rausch bis ins Frei-Metrische auflöst, deutet Marsalis zum Schluß seines Tenorsolos mit kleinen melodischen Schlenkern an, von wem dieses Thema auch hätte stammen können - von Ornette Coleman.
Neben ihm tritt auch Joey Calderazzo solistisch hervor, z.B. auch mit einer motivischen Improvisation in „Nilaste“.
Das Branford Marsalis Quartet ist nicht zuletzt auch eine Balladenband, spätestens seit dem Album „Eternal“ (2004) gehören auch Boleros zu ihrem Bestand. Calderazzo hat mit „Conversation among the Ruins“ und „Cianna“ diesmal zwei Stücke mit diesem Rhythmusmodell beigesteuert.
Der allfällige Standard im Repertoire dieses Quartetts ist, neben Jarrett´s „The Windup“, der „Snake Hip Waltz“ von Andrew Hill, 1975; der Bandleader brilliert hier auf dem Sopran.
erstellt: 23.05.19
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