FREDERIK KÖSTER/DIE VERWANDLUNG & PHILHARMONISCHES ORCHESTER HAGEN
Homeward Bound Suite ******

01. Prolog (Köster), 02. Family Tree, 03. Land der 1000 Berge, 04. Wurzeln und Flügel, 05. Homeward Bound, 06. Kyrill, 07. Epilog



Frederik Köster - tp, Sebastian Sternal - p, Joscha Oetz - b, Jonas Burgwinkel - dr
Philharmonisches Orchester Hagen, Florian Ludwig - cond

rec. 02.11.2016

Traumton 4657

Wenn wir den begleitenden Pressetext richtig verstehen, dann hat einer der Väter des Bombast-Rock den Weg zu dieser Produktion geebnet (die mit dem Genre wenig teilt), zumindest indirekt.
Demnach habe sich Jon Lord (1941-2012) von Deep Purple 2011/12 als „composer for Hagen“ in der Stadt betätigt. Und „im Rahmen dieses Engagements entwickelten die Philharmoniker mit dem einstigen Vordenker des Klassik-Rock mehrere Projekte“.
Frederik Köster stammt zwar nicht aus Hagen, sondern aus dem 80 km östlich gelegenen Olsberg im Sauerland. Über zwei Jahrzehnte hinweg ist er dem „Sauerland Herbst“ verbunden, ein Festival, das schon des öfteren Kooperationen mit dem Philharmonischen Orchester Hagen initiiert hat.
Die „Homeward Bound Suite“, der Titel legt es nahe, ist eine Hommage Kösters an Olsberg, „meine alte Heimat und die Landschaft des Hochsauerlandes“. Wer sie nicht kennt: mehr als 50 über 500 Meter hohe Erhebungen befinden sich auf der Fläche der Kleinstadt, unter ihnen der Langenberg, mit 843 m der höchste Berg in NRW (nicht der Kahle Asten).
Unter den „Söhnen und Töchtern der Stadt“ Olsberg führt Wikipedia neben u.a. Hubert Köster (1895–1939), hessischer Landtagsabgeordneter, als jüngsten Zugang „Frederik Köster (*1977), Jazzmusiker und -komponist“.
In erster Rolle, als Trompeter, hat er - auch jenseits von Echo-Jazz und WDR-Jazzpreis - einen Ruf.
cover koster homewardUnd ähnlich, wie er dort, mit seinem Quartett, den Bezugsrahmen von außen bezieht, vom Miles Davis Quintett, sind es hier Romantiker wie Mussorgsky oder Smetana.
Später („Kyrill“) taucht auch mal eine Tonreihe von Messiaen auf. In der Hauptsache aber stammt der orchestrale Duktus aus dem 19. Jahrhundert.
Insofern fällt das Orchester hier kaum aus der konventionellen Rolle, wie sie viele Jazz-Komponisten in diesem Feld, Thirdstream, vorgesehen haben.
Dazu gehören wie selbstverständlich auch Passagen, die sich umstandslos als Filmmusik verwenden liessen, hier zum ersten Mal bei „Family Tree“, ab 4:58.
Gut eineinhalb Minuten später treibt Köster das Orchester erstmalig in einen der Momente, die für dieses Album dann doch spezifisch sind: er treibt es in einen ausgesprochenen vamp und segelt dann mit seiner schnittigen Trompete darüber.
In track 4, „Wurzeln und Flügel“, ist es Jonas Burgwinkel, der gegen eine ähnliche Figur antrommelt.
Mit anderen Worten; das famose Jazz-Quartett des Bandleaders geht hier nicht unter, am allerwenigsten im „zentralen“ Stück des Albums, in einer Erinnerung an den Sturm „Kyrill“.
Das Liebliche (z.B. das Flöten-Intro) und das Kantige (ein riff, das in eine Pianofigur a la Messiaen führt), erfolgen in stetem Wechsel.
Dazu gehören frühe Soli von Schlagzeug und Kontrabass, die weit hinausführen. So weit, dass man sich fragt, wie der Komponist Köster sie wohl wieder einfängt. Er fängt sie ein durch die Schnittstelle „riff“ und baut sie so weit aus, dass sie herrlich in eine freie Passage des Jazz-Quartetts mündet.
Der Pianist Sebastian Sternal, auch der Bandleader selbst, sind gut dabei, zum zweiten Male in dieser Produktion lässt er kurz die Technik der multiphonics aufblitzen, der Mehrstimmigkeit durch gleichzeitiges Spielen und Singen. „Kyrill“ schließt mit einer Solo-Kadenz der Trompete.
Im „Epilog“ greift er noch einmal das Hauptthema der Suite auf, wie zuvor in den tracks 1 und 5, zunächst in verschlankter Form, lediglich von der Harfe begleitet. Es ist ein kantilenenhaftes Thema, man könnte es auch singen.

erstellt: 04.01.18
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