MARC COPLAND Zenith *******
01. Sun at the Zenith (Marc Copland), 02. Mystery Song (Ellington), 03. Air we´ve never breathed (Copland), 04. Waterfalls, 05. Best Bet, 06. Hurricane
Marc Copland - p, Ralph Alessi - tp, Drew Gress - b, Joey Baron - dr
rec. 27.+28.06.2015 InnerVoiceJazz IVJ 101
Auch Marc Copland geht mit dieser Produktion unter die Label-Chefs, es ist die erste seines Labels InnerVoiceJazz. Der Name mag überzeugen, denn der 68jährige Pianist agiert sozusagen aus dem Inneren des Jazz heraus, er treibt sich nicht an den Rändern herum, um Einflüsse aus anderen Gattungen einzusammeln.
Damit ist er bis dato bestens gefahren, Marc Copland gehört zu den markanten Jazzpianisten der Gegenwart, das Werk dieses - auch - Balladenspielers ist reich dokumentiert.
Warum es dazu nun auch einer eigenen Marke bedarf, leuchtet zunächst wenig ein, denn „Zenith“ hebt sich nicht prinzipiell von seinen Veröffentlichungen auf zahlreichen, auch renommierten Labels ab.
Möglicherweise handelt es sich aber auch um ein Projekt, mit dem er andernorts abgeblitzt ist. Die Personalfrage jedenfalls ist halbwegs neu: obwohl man hätte schwören mögen, dass Joey Baron ein typischer Copland-Buddy wäre … ist er dies hier zum ersten Mal, gleichfalls Ralph Alessi. Lediglich Drew Gress gehört zum vertrauten Copland-Personal, mindestens zum achten Male seit 1996.
Möglicherweise liegt die Ursache dieses Neuanfangs aber in einem Detail, einem stilistischen Detail. Und wenn man es einmal wahrgenommen hat, desto häufiger hört man es: Marc Coprland hat noch nie so funky gespielt wie hier. Ja, den Ellington („Mystery Song“) geht er so binär und so gospelig an, dass man eine Verwandtschaft zu Herbie Hancock heraushören möchte. Das vierzehnminütige „Air we´ve never breathed“ ist offen binär, ohne gleich rockig zu werden.
Joye Baron bringt hier eine Seltenheit ein, ein Schlagzeugsolo, das sich ausschließlich auf die Cymbals beschränkt. Und weil´s so schön ist, wiederholt er die Technik in „Waterfalls“.
Das ist ein fast swing, der wunderbar abgeht; Ralph Alessi, über den man früher gelegentlich mäkeln mochte, zieht in einem furiosen Solo davon, begleitet von dieser wunderbaren Rhythmusgruppe.
Auch der opener, „Sun at the Zenith“, ist ein swing, allerdings in einem eleganten 5/4-Takt.
Die beiden letzten Stücke leuchten in die Welt der 3er Metren.
Die Ballade „Best Bet“ in 3/4 und „Hurricance“ in 6/8. Die eröffnende Pianogifur und erst recht das Trompetenthema legen nahe, Copland würde sich - wie des öfteren - wieder auf sein altes Schlachtross setzen, nämlich Wayne Shorters „Footprints“. Aber der B-Teil führt dann ganz woanders hin. „Hurricane“ könnte sich dank mehrerer kleiner vamps zu einem neuen Paradestück für Marc Copland aufschwingen. Es beschließt eine Stunde, in der nicht Jazzgeschichte geschrieben wird, aber man sich bestens unterhalten fühlen darf.
erstellt: 02.07.16
©Michael Rüsenberg, 2016. Alle Rechte vorbehalten