BRAD MEHLDAU TRIO Blues and Ballads *******
01. Since I fell for you (Buddy Johnson), 02. I concentrate on you (Cole Porter), 03. Little Person (Brion), 04. Cheryl (Charlie Parker), 05. These Foolish Things - Remind me of you (Strachey, Marvell), 06. And I love her (Lennon, McCartney), 07. My Valentine (McCartney)
Brad Mehldau - p, Larry Grenadier - b, Jeff Ballard - dr
rec. 10/2012 (1,4,6,7), 05/2014 (2,3,5)
Nonesuch 7559-79465-0
Mit Blick auf die weit auseinander liegenden Produktionsdaten erscheint „Blues and Ballads“ nicht gerade als eigenes Projekt, eher wie eine Compilation; der Allerweltstitel tut ein Übriges.
Dem Höreindruck ist dies freilich nicht abträglich, das Album klingt wie aus einem Guss (zumal das Vorabexemplar für Rezensenten die Produktionsdaten nicht enthielt).
„Blues and Ballads“, der Titel signalisiert, insbesondere nach dem Solo-Bravourstück „10 Years Solo Live“, Einfachheit, Bescheidenheit.
Und so ist es. Das Album ist deutlich mehr von Passion, unterkühlter Passion, denn von Virtuosentum geprägt.
Im opener „Since I fell for you“, einem langsamen Blues von Buddy Johnson (1915-1977), erlaubt sich Brad Mehldau als einzige Abweichung von der Form eine gut dreiminütige Solo-Kadenz, lediglich für die Schlußminute kommt das Trio noch einmal zusammen.
Nämliches geschieht in „These foolish things“: bei 2:44 führt Mehldau das Stück zu einem plagalen Schluss, der sich freilich als Auftakt einer weiteren Solo-Kadenz erweist, gespielt in einer Art, die in keiner Hotelbar aus dem Rahmen fiele. Schlußthema dann wieder zu dritt.
„I concentrate on you“ geht das Trio als slow Bossa Nova an, „Cheryl“, der Blues von Charlie Parker, erklingt doch schon etwas temperierter.
Auch „And I love her“ von den Beatles hat einen leichten Bossa-touch.
In dieser Version, entstanden ein Jahr vor der Solo-Fassung von „10 years...“, schraubt sich das Trio, obzwar sehr lässig, richtig auf Betriebstemperatur, man kann nachvollziehen, was die Klasse dieses Pianisten ausmacht (das Verhältnis von linker und rechter Spielhand). Seine Methode, einen Ausschnitt aus einer Vorlage von vielen Seiten auszuleuchten, erstrahlt hier in - fast - voller Pracht.
„And I love her“ dauert nur neuneinhalb Minuten, im Konzert würde man nach doppelter Dauer dürsten.
Die blue notes, die Mehldau hier sparsam einstreut, werden im abschließenden „My Valentine“ zu einem gestalterischen Mittelpunkt.
Das Stück, aufgenommen im Dezember 2012, war offenkundig eine unmittelbare Resonanz auf das Original, auf dem im gleichen Jahr veröffentlichten „Kisses on the Bottom-“Album von Paul McCartney, von dem es bei Wikipedia heisst, es sei „ein Album mit starken Anteilen von Jazz-Musik“.
Auch hier gönnt sich Brad Mehldau - na was wohl? - eine Solo-Kadenz, die dann, wenn die Band wieder einsetzt, vollkommen gesättigt wird von blues notes und einem Shuffle-Rhythmus. Das ist denn nun wirklich eine Überraschung. Auch hier würde man gern weiteren Expositionen zuhören.
Sie legt den wahren Titel dieses Albums frei: „Blues and Ballads and Cadences“.
erstellt: 12.06.16
©Michael Rüsenberg, 2016. Alle Rechte vorbehalten