PETE LOCKETT´S NETWORK OF SPARKS feat BILL BRUFORD One *******

01. Conundrum (Bruford), 02. Travel Light (Lockett), 03. Self Portrait (Max Roach), 04. Voices Apart (Lockett), 05. Complex Transactions (Lockett, Chowhan), 06. Groove Oddity (Lockett, Bruford). 07. Lumina (Lockett, Limbrick), 08. Irreversible Blue (Lockett), 09. Prism (Favre), 10. Full on II (Lockett, Kaisi)

Pete Lockett - perc, dr, sampler; Bill Bruford - dr, Nana Tsiboe - perc, Johnny Kalsi - perc, Simon Limbrick - vib, mar, perc; Pam Chowhan - keyb
rec. 1999
Summerfold Records BBSF024CD

Ja, so darf es gerne weitergehen: seit dem 01.01.09 ist Bill Bruford „im Ruhestand“, d.h. er rührt nicht mehr live die Trommel. Wohl aber widmet er sich dem Katalog seiner Labels Summerfold und Winterfold Records, auf dass kein Jahr vergehe, ohne das das Bild seiner extraordinären Snare- und bassdrum-Koordination nicht noch um eine Facette bereichert werde.
Den Auftakt machte ein mittelprächtiges ArtRock-Projekt um den Komponisten Colin Riley mit Hilfe des Piano Circus (2009), gefolgt von diesem „Netzwerk des Funkenschlages“. Nomen est Omen, es ist ein schöner Wurf - und eine Wiederveröffentlichung. „One“ basiert auf einer Tournee mit Pete Lockett´s Network of Sparks 1999, einem Percussion Quintett des Pete Lockett.
Den müssen wir uns als das britische Pendant zu Reinhard Flatischler vorstellen, aber weniger prätentiös, mehr groove-orientiert. Lockett hat in einem Netz von Knotenpunkten wie Björk, Jeff Beck, Ustdad Zakir Husain, dem BBC Concert Orchestra und James Bond-Filmmusiken die Felle geschlagen.










Diese Wiederveröffentlichung ist für die meisten sicherlich eine Neu-Entdeckung, sie passt wunderbar in die Perkussions-Abteilung von Brufords Tonträger-Katalog, mit der New Percussion Group of Amsterdam (1987) und dem World Drummers Ensemble (1996/2005). Letzteres agiert(e) sowohl vor als auch nach Brufords Engagement bei Lockett; man kann sich unschwer einen inspirierenden Funkenschlag zwischen beiden vorstellen, zumal beide personell und stilistisch einer Kontinente überschreitenden Perspektive sich verpflichten.
Dafür spricht in nuce, dass Bruford „Conundrum“, „Self Portrait“ (von Max Roach) und „Prism“ (vom Schweizer Schlagzeuger Pierre Favre) aus Locketts Repertoire 2005 in das vom World Drummers Ensemble übernommen hat.
„Conundrum“ fungiert hier wie dort als Eröffnung: ein kurzes, japanischer Handkantenschlag. Die Versionen aller drei Stücke klingen hier heller & konziser als beim Word Drummers Ensemble (eine Live-Aufnahme). „Self Portrait“ ist ein Juwel, „wie Max Roach selbst ein elegantes und beiläufiges Stück“ (Bruford). Es legt, wie bei „The Drum also Waltzes“ ständig einen 3/4-Takt ins Ohr, aber nein: es steht in ordinären 4/4, die freilich kaum je als solche durchdringen.
Das booklet enthält jeweils einen knappen Kommentar zu jedem Stück, und so erfahren wir, dass Pierre Favres Hochtempo-Komposition „Prism“ strukturell von mutierenden Phrasen durch zusätzliche Töne lebt.
Diese Groove-Wechseln ist schon vom Titel her Programm des Duo-Sückes „Groove Oddity“, wo Bruford seinen drum set bedient und Lockett allerlei Perkussion plus Sampler. Ähnlich „Complex Transaction“, wo 7/4 gegen 4/4 steht und das seiner Vibraphon-Seligkeit wegen den einen oder anderen an die Muster der französischen Gruppe Gong erinnern mag. „Irreversible blue“ ist im Prinzip ein Kanjira (indische Handtrommel) solo von Lockett, unterlegt von keineswegs kitschigen Ambient Sounds.
Lediglich im Schlußstück „Full On II“ tritt das komplette (Tournee)-Quintett an, zur Begleitung des nord-indischen Khol-Virtuosen Johnny Kalsi. Das Genre-übergreifende (andere würden sagen Grenzüberschreitende) des ganzen Projektes nimmt hier seine populärste Form an: reduzierte Melodik über Schaukel-Harmonik auf einem ternären Reggae. Man ist dankbar, dass die melodische Genügsamkeit gelegentlich von unten, vom einem mächtigen drum-Fundament einen Tritt kriegt.
(Wer dann 70 Sekunden lang vergisst, das Routieren der CD zu stoppen, bekommt als „ghost track“ von einen Ambient-Nebel mit, der noch einmal in den akustischen background von „Irreversible Blue“ zurückführt.)

erstellt: 30.01.10

©Michael Rüsenberg, 2010, Alle Rechte vorbehalten