NORWEGIAN WIND ENSEMBLE cond. by STEFFEN SCHORN Tiefenträume *********
01. Intro (Steffen Schorn), 02. Tiefenträume, 03. Intermezzo, 04. Dantie´s Dance, 05. Intermezzo, 06. Tauspiegelungen, 07. Intermezzo, 08. Coda, 09. Epilogue
Roger Hanschel - as, f-mezzo-sax, Steffen Schorn - afl, bfl, bars, bcl, b-tubax perc, Rob Waring - vib, Rune Arnesen, Knut Allefjaer - dr, Øywind Haavik, Linn Cecilie Aasvik - fl, Inga Eeg Henriksen, Karin Seppola - oboe, Eirik Jordal, Knut Henriksen, Thorleif Bergby - cl, Roar Alnes, Tor Egill Hansen - bcl, Geir Holm, Kristin Haagensen - saxes, Jaran Stenvik, Embrik Snerte - bassoon, Frank Brodahl, Marius Haltli, Torgeir Haara - tp, Britt Larsen, Steinar Nilsen - horns, Tarjei W. Grimsby, Torild Grytting Berg, Arild Hillestad - tb, Roger Fjeldet - tuba, Roger Morland - b, Andre Fjørtoft - perc
rec. 10/2011
Norwind Records nwd131
Diese CD, en passant beim WDR Jazzfest überreicht vom Solisten der Unternehmung, hat es in sich: sie erweitert unsere Kenntnis der norwegischen Musik-Topographie um ein weiteres Hochplateau.
In diesem Falle um ein Ensemble, das 1734 - in Worten: siebzehnhundertvierunddreißig, also vor 279 Jahren - als lokale Militärband der Festung Halden gegründet wurde. Dreimal haben die Schweden versucht, die Festung einzunehmen, vergeblich. Seit 2002 wird das Ensemble finanziert von Kulturministerium, von der Region Östfold sowie der Stadt Halden.
The Norwegian Wind Ensemble ist die einzige nicht-militärische Bläserformation des Landes, mit einer Stammbesetzung von 26 Musikern und Musikerinnen; das NWE spielt „Nabucco“ und Berio, aber auch „Sketches of Spain“, geleitet von Maria Schneider mit Arve Henriksen als Trompeten-Solisten.
Dieses staunenswerte Ensemble nun spielt Kompositionen des deutschen Saxophon-Tieftöners Steffen Schorn, Mitglied der Kölner Saxophon Mafia und Jazzprofessor in Nürnberg. Den Solisten hat er aus der Mafia mitgebracht und stellt ihn in ein völlig anderes Licht: Roger Hanschel, in seinen Solo-Performances ein Pattern-Spieler vor dem Herrn, surft Blues-inflektiert wie nie über dunklen Klangwogen, auf denen immer wieder eine Gischt aus Flöten, Klarinetten und Oboen tänzelt.
„Symphonic Music for large Wind Ensemble“ nennt das CD-Cover dieses Unternehmen - eine Zuordnung, die bestenfalls einen Angestellten im Kulturministerium zufrieden stellen kann. Die Musik beschreibt sie nicht, denn die ist bestens mit dem üblichen Jazzbesteck zu fassen; wo in der „Sinfonischen Musik“ hätte man je 5/4 Takte mit walking bass (Titelstück) oder über Samba-Patterns („Dantie´s Dance“) gehört, oder ein solches groove switching wie in „Tauspiegelungen“?
Nein, „Tiefenträume“ lässt sich gut & gerne als Third Stream hören, ohne dass man Zeuge großer Ambition oder zu viel guten Willens würde. Steffen Schorn weiß kompliziertes Zeugs mal wieder wunderbar zu verbergen; die Kontraste, über die er gebietet, robuster Zugriff hier und Streicheln dort, sie halten sich weitaus mehr die Waage als in seiner Vorstellung beim WDR Jazzpreis 2009.
Es ist ein absolutes Fest der Klangfarben. Holz- und Blechbläser leuchten und strahlen in einer unglaublichen Vielfalt, hier konnte, ja hier hat jemand mal wirklich aus dem Vollen geschöpft. Dabei greift Schorn teilweise auf alte Vorlagen zurück: das Thema von „Tiefenträume“, eine Skizze von 7 Tönen, findet sich schon 1993 auf einem Album mit seinem Langzeit-Partner Claudio Puntin. Wie er dieses Fast-Nichts wandern lässt, kontrapunktisch aufbrezelt, durch tiefes Klangholz auf eine Lichtung führt, wo der Solist buchstäblich „take five“ damit macht - eine Delikatesse.
Assoziationen an die Tiefen des Meeres sind erlaubt, wenn er in der Coda von „Dantie´s Dance“ die ganze Mannschaft im Tonraum a capella nach unten fallen lässt, wo im folgenden „Intermezzo“ tiefe Saxophone und Klarinetten blubbern und Flöten sowie gestopfte Trompeten dazwischen schnattern - ein Schelm, der hier nicht Wale und Heringsschwärme vor Augen bekommt.
Frag sich nur: wer bringt dieses Unternehmen auf deutsche Bühnen?
erstellt: 10.03.13
©Michael Rüsenberg, 2013. Alle Rechte vorbehalten