NICHOLAS PAYTON Bitches *
01. By my Side (Nicholas Payton), 02. Freesia, 03. Shades of Hue, 04. Truth or dare 05. Togetherness Foreverness, 06. Indigo, 07. You are the Spark, 08. The second Show, 09. Flip the Script, 10. Love and Faith, 11. Don´t I love you good, 12. iStole your iPhone, 13. You take me Places I´ve never been before, 14. Give Light, Live Life, Love, 15. Bitches
Nicholas Payton - tp, keyb, progr, voc, Cassandra Wilson (13), Chinah Blac (15), Esperanza Spalding (2), N´dambi (5), Saunders Sermons (9) - voc
rec 2009 + 2010
IN+OUT Records IOR CD 77111-2; LC 07588
„CDs...“, so grummelt es aus dem vulgär-soziologischen Sumpf, aus dem Spiegel Online tief einatmet, „...CDs sind laut dem US-amerikanischen Soziologen Joel Waldfogel gute Geschenke, weil man ihre Qualität erst dann beurteilen kann, wenn man sie gehört bzw. gelesen hat."
JNE weiß nicht, ob in diesen Kreisen das „Danaergeschenk“ bekannt ist - in diesem Falle vielleicht eine CD, die vieles verspricht, aber nichts hält und sich als faules Ei herausstellt.
Diese Produktion ist ein guter Kandidat dafür, sie winkt mit zwei attraktiven Parametern.
Man muß a) nicht zu den avancierten Kadern gehören, um zu wissen, dass Nicholas Payton nicht gerade zu den stil-bildenden Trompetern zählt, aber, volkstümlich gesprochen, „das Blaue vom Himmel“ spielen kann. Seine Tonbildung, seine Phrasierung sind exzellent.
Der Titel der Produktion legt nahe, dass b) erneut ein Trompeter (!) der aktuellen Mode der Re-Insznenierung von Miles Davis´ „Bitches Brew“ sich verschreibt.
Der erste track ist freilich niederschmetternd: ein fetter synthi-bass wie in den 70ern, ein synthetischer drum-beat, der ungelenk in der Zeit „hängt“. Die Assoziationen weisen nicht auf „New Orleans“ und „virtuose Jazztechnik“, sondern auf „Hinterhof“. Jede Kaschemme wäre sich heute zu schade, einen solchen Driss an die Öffentlichkeit zu bringen. Man fasst es nicht.
Und es wird nicht besser, in track 4 sogar noch schlechter: keyboard-Flächen und synthi-bass scheinen völlig aus der Zeit gefallen.
Track 13 wirkt, als sei eine Cassandra Wilson-Darstellerin in den Teebeutelaufguß einer George Duke-Ballade gefallen. Aber, laut cover ist es die echte Cassandra, und in track 2 die echte Esperanza Spalding (die ihren Baß zu Hause lassen musste).
Was hat man auf Herbie Hancock eingeprügelt, als der in den 70ern den dancefloor bedienen mochte („Feets don´t fail me now“, 1979) - aber jedes seiner Machwerke dort oder anderswo hatte Handwerk und - man möchte fast sagen: Würde -, gemessen an dieser Ausschußware.
„Bitches“ (man möchte über den Titel gar nicht nachdenken und die Erklärungen des Künstlers nicht weiter lesen) von Nicholas Payton räumt mit der These auf, Jazzmusikern gelänge per se die bessere Popmusik. Das Album markiert die absolute Talsohle all dessen, was je ein Jazzmusiker unter Klarnamen veröffentlicht hat; tiefer geht´s nimmer.
erstellt: 03.12.11
©Michael Rüsenberg, 2011. Alle Rechte vorbehalten