JULIA HÜLSMANN TRIO The End of a Summer ****
01.The End of a Summer (Hülsmann), 02.Konbanwa (Köbberling), 03.Kiss from a Rose (Seal), 04. Last one out (Muellbauer), 05. Quint (Hülsmann), 06. Senza, 07. Not the End of the World, 08. Sepia, 09. Gelb, 10. Where in the World
Julia Hülsmann - p, ep; Marc Muellbauer- b; Heinrich Köbberling - dr
rec. 03/2008
ECM 2079 1773156; LC-Nr 02516
Zumindest auf Tonträgern hat man schon viel von Julia Hülsmann gehört - und doch scheint sie erst mit ihrem vierten Album zu sich selbst zu kommen. Bis dato nämlich war sie, dreimal mit SängerInnen, jeweils in Referenz zu anderen Künstlern hervorgetraten: als Bearbeiterin (von Randy Newman Songs), als Komponistin zu Lyrik von E.E. Cummings ("Scattering Poems") und Emily Dickinson ("Good Morning Midnight"). Letzteres im Verein mit einer Vokal-Entdeckung, die sie inzwischen nicht mehr bezahlen kann: den Mann mit dem Hütchen, den Frauen-Schwarm Roger Cicero.
Inzwischen hat die 1968 in Bonn geborene, seit 1991 in Berlin lebende Pianistin es bis "hinauf" zu ECM geschafft, eine Errungenschaft, die nur wenigen deutschen Jazzkünstlern gelingt, auf die das Label in seiner Pressemitteilung zu dieser Produktion hinzuweisen nicht vergisst.
Als "Lyrikerin des deutschen Jazz" apostrophiert DIE ZEIT in der ihr typischen Jubelhaltung nun dieses neue Hülsmann-Album. Das macht stutzen: als Lyrikerin ist die Pianistin, die so auf Textlyrik versteht, nämlich keineswegs hervorgetreten. Im Gegenteil, was an ihr - und an ihrem Trio! - bislang beeindruckt, ist eine Ferne zu jener Gefühligkeit und jener Unbestimmtheit des Ausdrucks, die diese Gattung unterhalb des Levels der ganz Großen mehr und mehr zu einer Zumutung macht. Das Hülsmann Trio kann zupacken, kann grooven, und insbesondere in Heinrich Köbberling verfügt es dazu über beste Voraussetzungen.
Die ZEIT-Ansage ist leider wahr; ECM hat das Trio auf´s Lyrische umgepolt - und damit auf einen Ausdruck, der ihm so recht nicht liegt. Rubato und broken swing sind erkennbar vorhanden, aber leider in einer Ausführung, die den Jubel schwerlich verdient. Wir sprechen hier von feinen Nuancen, von der Umstellung einer Combo, die das Groove-Format recht gut bedient auf ein eher "freies Atmen", auf ein Schritt-für-Schritt-Arbeiten, dessen Spannung aus unterschiedlichen Schritt-Längen erwächst.
"Die Musik passiert oft zwischen den Noten", Marc Muellbauer bringt diesen Prozeß sprachlich auf den Punkt - aber real erklingt er nicht. Das ist anderswo viel besser gelöst, auch in Deutschland, beispielsweise im Pablo Held Trio. Viellicht war das Hülsmann Trio also nicht gut beraten, "Sepia" (das eine Anlehnung an "Picture in Black and White" von Antonio Carlos Jobim sein soll) nicht mehr wie sonst als langsame Bossa Nova zu spielen, sondern - wie hier - "frei". In der coda merkt man, wie sicher die Combo auf metrischem Terrain sich wieder fühlt.
"Julia Hülsmann ist keine Virtuosin", noch so eine ZEIT-Ansage - und sie stimmt. Dies auszugleichen, z.B. in einer mehr kollektiven Sprache, gelingt am ehesten in "Gelb", dem Stück mit der größten Nähe zu Groove, mit einem gut aufgelegten Köbberling und der Bandleaderin mit einer rhythmischen Hand in den tiefen Lagen - das alte Hülsmann Trio!
erstellt: 13.10.08
©Michael Rüsenberg, 2008 Alle Rechte vorbehalten