MARCIN WASILEWSKI TRIO January *******
01. The first Touch (Wasilewski), 02. Vignette (Gary Peacock), 03. Cinema Paradiso (Morricone), 04. Diamonds and Pearls (Prince), 05. Balladyna (Stanko), 06. King Korn (Carla Bley), 07. The Cat (Wasilewski), 08. January, 09. The Young and Cinema, 10. New York 2007 (Wasilewski, Kurkiewicz, Miskiewicz)
Marcin Wasilewski - p, Slawomir Kurkiewicz - b, Michal Miskiewicz - dr
rec 02/2007
ECM 2019 1737345; LC-Nr 02516
Den Titel "aufregendstes Pianotrio der Welt" erhält diese Combo nicht - den haben die Fachleute von Die Zeit schon an Wollny/Kruse/Schaefer verliehen (was wenig über deren Musik, viel über den Sachverstand der(s) Hamburger Kollegen verrät.)
Dieses Trio aus Polen verdient den Titel schon deshalb nicht, weil die Erzeugung von "Aufregung" in jedweder Form seine Sache nicht ist; dafür horcht es viel zu sehr der viel-beschworenen "adagio"-Stimmung nach, nicht zuletzt: dafür unterscheidet es sich mit dieser Produktion zu wenig von deren Vorgängern, von denen weltweit die Resonanz erzählt, dass sie hervorragend sind.
Dazu zählen die Alben mit Thomasz Stanko, ab "Soul of Things" (2001) sowie ihr eigenes "simple acoustic trio" von 2004. (Ganz zu schweigen von fünf Alben in Polen, die hierzulande nicht verbreitet sind.)
Dass sie nun als Trio unter dem Namen des Pianisten firmieren, nachdem sie sich weltweit Renommee als "simple acoustic trio" erworben hatten, mutet erstaunlich an - und geradezu befremdlich, wenn man die Begründung von ECM dazu liest, die Bandmitglieder hätten "die Konvention akzeptieren müssen, dass Pianotrios traditionell mit ihren Pianisten identifiziert werden." Nun sprechen gerade die Rabauken des Genres (The Bad Plus, e.s.t.) höchst ertragreich vom Gegenteil; wer weiß, vielleicht will man sich hier schon durch die Namensgebung gediegen von jenen absetzen (?).
Musikalisch ist dies sowieso der Fall, eine Binsenweisheit, dass der Herr Esbjörn und seine Svenssons vom hiesigen Stand der Interaktion sowie der Kultur des Pianoanschlages bestenfalls träumen können.
Ein rubato beispielsweise, das Gleiten und Pendeln ohne metrisches Zentrum, vulgo: ohne Beat, das hier schon mit dem ersten Stück einsetzt und rhythmisch vorherrschend die Stimmung prägt, es ist den Kahlköpfen aus Schweden nicht aus der eigenen Praxis bekannt.
Gerade dieses vorsichtige Vorwärts-Tasten, in beinahe unabhängiger Führung der drei Stimmen, erscheint geradezu als Schutz vor allzu viel "Aufregung". Obwohl, auch das stimmt nur höchst eingeschränkt, also gar nicht: wenn die drei melodisch etwas richtig Nahrhaftes zu fassen kriegen, hier allerspätestens mit Carla Bley´s "King Korn" (1963), schwärmen sie aus und verströmen die bekannten Noten über einen wechselnden Parcours. Über rubato, in einen wunderbaren uptempo swing in einen Gospel-Beat (ohne Jarrett-Einfluss) und wieder zurück ins Anfangs-rubato, zurück zum Thema.
Wenn es eine "Überraschung" gibt, dann dass der Bandleader Marcin Wasilewski seinen Hancock-Einfluss bis auf track 7 aufschiebt, einen eleganten Song im (sehr) weitläufigen Schatten von "Maiden Voyage".
Eleganz erscheint überhaupt als das Stichwort zu dieser Produktion, ihre gleichsam "vornehme" Zurückgenommenheit. Erst nach mehrmaligem Hören entfaltet sie ihr Aroma, weder speziell polnisch noch sonstwie europäisch, sondern wie eine sozusagen "zeitlose" Quersumme der Jazzpiano-Trio-Moderne.
Nach mehrmaligem Hören der tracks 6 und 7 beginnt auch "Diamonds and Pearls" zu duften, dessen Anmut man bei Prince gar nicht vermutet hätte, oder die hintersinnige Hommage durch "Vignette", entstanden 1978, als das Trio erstmals zusammentrat, das seit zweieinhalb Jahrzehnten als "Standards" Trio von Keith Jarrett Maßstäbe setzt.
Nicht zu vergessen "Balladyna" von Thomasz Stanko von 1975 - dem Geburtsjahr des Bandleaders dieses Trios, oder das fast heitere "The Young and the Cinema", wo sich ein einziges Mal während 70 Minuten eine tänzelnde 6/8-Stimmung andeutet.
erstellt: 04.01.08
©Michael Rüsenberg, 2008, Alle Rechte vorbehalten